Interview
Christopher Seiler: „Bedeutung der Gewerkschaft wird weiter zunehmen“
Schauspieler, Musiker (Seiler und Speer) und Kabarettist Christopher Seiler im oegb.at-Gespräch über das Leben abseits der Bühne
Die einen kennen ihn als Teil des Duos Seiler und Speer („Ham kummst“), die anderen als Anton Horvath, Hauptfigur der Satire-Serie Horvathslos. Er kennt den Erfolg, weiß aber auch, was es heißt, arbeitslos zu sein. Schon in der Jugend war er gewerkschaftlich aktiv, seit Jahren unterstützt er verschiedene soziale Projekte: Christopher Seiler. Im Gespräch mit oegb.at verrät er, warum ihm die Gewerkschaft besonders am Herzen liegt und was sich Politiker zu Herzen nehmen sollten.
oegb.at: Ich gehe davon aus, dass wir per Du sein können…
Christopher Seiler: Ja, selbstverständlich.
Du warst schon früh gewerkschaftlich aktiv, warst Jugendvertrauensrat. Was hat dich dazu bewegt?
Ich denke, ich habe einfach ein gewisses Gerechtigkeitsgefühl. Und das habe ich damals auch schon gehabt. Und dann sind Wahlen angestanden, da bin ich angetreten und dann habe ich gewonnen (lacht). Ja, die Lehrzeit war eine schöne Zeit.
Welche Rolle spielen Gewerkschaften heute aus deiner Sicht?
Ich bin der Meinung, dass es jetzt – mehr denn je – wichtig ist, dass es Gewerkschaften gibt. Weil die Gewerkschaft auch die Interessen der Menschen vertritt, die sonst nicht gehört werden. Das ist sehr wichtig. Und ich glaube, wenn ich mir die politischen Entwicklungen im Land so anschaue, dass die Bedeutung der Gewerkschaft in nächster Zeit weiter zunehmen wird.
Eine Gruppe wird eher gehört als der Einzelne und die Interessen kann man als Gruppe einfach stärker vertreten.
Und deshalb sollte man sich gewerkschaftlich organisieren?
Ja, weil hier der alte Leitspruch gilt: Mehr ist mehr. Eine Gruppe wird eher gehört als der Einzelne und die Interessen kann man als Gruppe einfach stärker vertreten. Und dadurch, dass in der Gewerkschaft nicht der politische Aspekt im Vordergrund steht, sondern wirklich die gemeinsamen Interessen, die Interessen der Schwächeren, auch weniger Polithickhack und es geht ehrlicher zu. Natürlich gibt es Mitglieder, die verschiedene politische Ansichten haben, aber in der Sache sind alle vereint. Und das macht die Gewerkschaft stark.
Wenn du von den Schwächeren sprichst, fällt mir Anton Horvath ein – der Arbeitslose, den du in der Satire-Serie „Horvathslos“ spielst. Was denkst du dir, wenn du hörst, wie manche mehr Druck auf Arbeitslose ausüben wollen, weil diese angeblich zu faul sind und nicht wirklich arbeiten wollen?
Ich finde das bedenklich. Ich war selber einmal arbeitslos. Und deshalb weiß ich, wie das ist. Man merkt, dass sich das Leben komplett verändert. Und man ist plötzlich mit ganz vielen Problemen konfrontiert. Wenn dann noch von der Politik ein Druck daherkommt und versucht wird, arbeitslose Menschen generell in ein falsches Licht zu stellen, ist das ganz einfach letztklassig. Natürlich gibt es schwarze Schafe, aber die gibt es ja überall. Ein Anton Horvath zum Beispiel, der ist arbeitslos, weil er arbeitslos sein will, der ist so ein schwarzes Schaf. Aber einen Generalverdacht auszusprechen, alle über einen Kamm zu scheren, ist nie gut.
Allein wirst du die großen Probleme nicht bewältigen können. Das geht nur zusammen.
Schaut man sich heute in der Welt ein bisschen um, sieht man, dass sich viele Menschen selbst am nächsten stehen und in erster Linie versuchen, das Beste für sich herauszuholen. Wie wichtig sind für dich Werte wie Zusammenhalt und Solidarität?
Irrsinnig wichtig. Denn allein wirst du die großen Probleme nicht bewältigen können. Das geht nur zusammen. Und je stärker die Gruppe ist, je mehr Mitglieder sie hat, desto stärker wirst du wahrgenommen. So ist das ja auch in der Gewerkschaft. Und das Wichtigste ist, dass alle an einem Strang ziehen. Wie bei einem Fußballverein, der Meister werden will, da reicht es auch nicht, ein Team voller Superstars zu haben – da braucht es eine eingeschworene Truppe, die an einem Strang zieht.
Fußball spielt in deinem Leben ja auch eine Rolle. Du unterstützt schon seit Jahren den Fußballklub SC Wiener Viktoria – nun wird sogar das neue Stadion nach dir benannt. Ist diese Unterstützung für dich ein Hobby oder geht es dir da auch um gesellschaftliches Engagement?
Das ist kein Hobby, das ist meine Überzeugung – und die hatte ich schon immer. Ich komme aus bescheidenen Verhältnissen und ich habe mein Herz immer bei den Schwächeren. Es ist auch nicht nur die Wiener Viktoria, ich unterstütze viele Projekte, spiele das aber nicht an die Öffentlichkeit. Weil ich nicht der Meinung bin, dass sich aus einem persönlichen Anliegen ein persönlicher Vorteil ergeben soll. Mir geht es einfach besser, wenn ich weiß, dass ich einem Menschen aus dem Dreck herausgeholfen habe.
Ein ehrenwerter Zugang…
Ja, das sollten sich manche Politiker vielleicht mal zu Herzen nehmen. Grundsätzlich glaube ich aber, dass Österreich nicht nur unser Schmäh und die liebenswürdige Grantelei auszeichnet, sondern auch, dass es Gruppierungen gibt, die dem Nächsten helfen – im Sinne der Nächstenliebe. Es ist völlig egal, ob da jemand einen christlichen Bezug hat oder nicht. Ich glaube einfach, niemand mag es, wenn neben ihm der Nachbar leidet – dieses Gerechtigkeitsgefühl tragen wir, glaube ich, alle in uns. Deshalb war die Gewerkschaft auch immer so stark.
Wenn du an die Zukunft denkst, wie stellst du dir eine optimale Welt vor?
Eine optimale Welt schaut für mich so aus, dass zwar jeder für sich selber seinen Weg gehen und jeder sein Glück finden kann, aber diesen Weg immer nur so verfolgt, dass er dem anderen dabei nicht auf die Zehen steigt. Nur so kann es funktionieren. Und das ist für mich auch der Gewerkschaftsgrundsatz: Es muss gerecht zugehen. G wie Gewerkschaft, G wie Gerechtigkeit – liegt eh auf der Hand.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Sehr, sehr gerne!