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Verteilungsgerechtigkeit

Ohne Sozialstaat schaut's schlecht aus

Wie uns der Sozialstaat hilft, Krisenzeiten zu überstehen – ein Ländervergleich

Gerade in Zeiten von Corona sieht man, der Sozialstaat hilft uns, Krisen zu meistern – sowohl individuelle, als auch gesellschaftliche und wirtschaftliche Krisen. Vor allem der Vergleich mit Staaten wie Italien, den USA oder Großbritannien offenbart die Vorteile des österreichischen Sozialstaats mit funktionierender Sozialpartnerschaft, umfassendem Sozialversicherungssystem, intaktem öffentlichen Gesundheitssystem und nach wie vor problemlos laufender Infrastruktur.

Der österreichische Sozialstaat

Das Ziel des Sozialstaats ist, soziale Sicherheit und soziale Gerechtigkeit für alle Menschen zu gewährleisten. Das beinhaltet unter anderem die öffentliche Finanzierung der Krankenversicherung, der Unfallversicherung, der Pensionsversicherung, der Arbeitslosenversicherung sowie des öffentlichen Bildungssystems. Ebenfalls dazu gehören Leistungen wie die Mindestsicherung, die Notstandshilfe, das Kindergeld oder auch der soziale Wohnbau. Die Sozialpartner sind ein weiterer zentraler Faktor eines funktionierenden Sozialstaats, genauso wie eine nicht privatisierte Infrastruktur in öffentlicher Hand (Straßennetz, öffentliche Verkehrsmittel, Wasserversorgung, Strom- und Energieversorgung, etc.).

In der Corona- Krise zeigt sich deutlich: Der freie Markt kann die aktuelle Situation nicht bewältigen. Privatisierung und Einsparung bringen keine gesellschaftliche Lösung zur Eindämmung der Pandemie. In der Krise wird der Schutz durch den Sozialstaat, der niemanden zurücklässt, mehr denn je gebraucht. „Der Markt ist nicht für die Menschen bzw. die ArbeitnehmerInnen da, sondern nur für die Finanzwirtschaft“, zeigt sich auch für Ökonom Stephan Schulmeister in der Corona-Krise.

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Welche Vorteile der österreichische Sozialstaat für die Menschen bringt, zeigt vor allem ein Vergleich mit anderen Ländern. oegb.at hat sich angeschaut, wie die Situation in Italien, den USA oder Großbritannien ist:

 

  • La Dolce Vita – Italien

Die Südtirolerin Sabrina H. wohnt mit ihrem Freund und ihrem kleinen Sohn in Meran, nachdem sie davor in Innsbruck und Wien studiert hat. Die Nachteile des totgesparten Gesundheitssystems in Italien bekommt die kleine Familie hier direkt zu spüren, wenn auch weniger stark als in anderen Teilen des Landes. „In ganz Südtirol gibt es zum Beispiel keine einzige Herz-Lungen-Maschine“, erzählt Sabrina. „Sonst sind immer alle einfach nach Innsbruck gefahren, denn dort gab es mehr medizinische Möglichkeiten – wir wohnen ja sehr nah an der Grenze. Jetzt sind die Grenzen allerdings dicht und unser eigenes Gesundheitssystem versagt.

Italien, speziell der Norden, ist neben Spanien aktuell am schwersten vom Coronavirus getroffen. Das Gesundheitssystem steht kurz vor dem Zusammenbruch. In ihrem Umfeld werden zurzeit viele Stimmen laut, die sich in Krisenzeiten wie dieser wünschen, wieder zu Österreich statt zu Italien zu gehören, so Sabrina. Die italienische Regierung reagierte zu spät mit Maßnahmen wie Ausgangsbeschränkungen. Während es in Österreich mit Anfang April rund 12.000 bestätigte Erkrankungen gibt, zählt man in Italien bereits über 15.000 Todesfälle. Die Bestattungsunternehmen kommen kaum mehr nach und haben ihre maximale Auslastung längst überschritten.

Ein Corona-Kurzarbeitsmodell, wie in Österreich von den Sozialpartnern verhandelt wurde, gibt es in Italien nicht.

Sabrina H. aus Meran

Zu den Corona-Folgen zählen aber nicht nur überlastete Spitäler, sondern auch massenhaft Arbeitslose. Ein Corona-Kurzarbeitsmodell, wie in Österreich von den Sozialpartnern verhandelt wurde, gibt es in Italien nicht.„Es ist in Italien schon vorher so gewesen, dass man ewig auf sein Geld warten muss, wenn man sich arbeitslos gemeldet hat. Jetzt sehen die Menschen aufgrund der extremen Bürokratisierung oft wochenlang überhaupt kein Geld“, berichtet die Südtirolerin.

 

  • Schöne neue Welt – USA

Franziskus B. kommt ursprünglich aus Oberösterreich und lebt seit mehreren Jahren mit seiner Frau und den zwei Kindern in Philadelphia, USA. Er berichtet, wie dramatisch die Situation aktuell vor Ort ist, nachdem Präsident Trump die Situation lange nur belächelt und sich auf die kommenden Präsidentschaftswahlen im November 2020 konzentriert hat: „Jetzt werden endlich Maßnahmen gesetzt, denn viele AmerikanerInnen haben gar keine Rücklagen für Krisenfälle. Alle Steuerzahler mit einem Jahreseinkommen von maximal 75.000 US-Dollar bekommen jetzt einen Scheck für eine Einmalzahlung in der Höhe von 1.200 Dollar (= ca. 1100 Euro) – zusätzlich für jedes Kind 500 Dollar.“

Die USA haben mittlerweile alle anderen Staaten überholt und liegen weltweit an der Spitze der Anzahl an Corona-Erkrankten (über 400.000) – auch die Todesfälle steigen drastisch an. Aktuelle Zahlen von Anfang April zeigen fast 2.000 Tote binnen 24 Stunden. In der Millionenmetropole New York ist das Gesundheitssystem besonders überbelastet. Medien berichten von massenhaft fehlenden Intensivbetten und Beatmungsgeräten, um die Erkrankten angemessen zu versorgen. Die Krankenhäuser sind derart überlastet, dass im Central Park und in Kirchen Feldlazarette aufgebaut werden und man überlegt, Notfriedhöfe in New Yorker Parks auszuheben, um der steigenden Zahl der Toten gerecht werden zu können.

Die Lage am US-Arbeitsmarkt verschlechterte sich ebenfalls dramatisch. Anfang April wurde bekannt, dass innerhalb nur einer Woche 6,6 Millionen Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe in den USA gestellt wurden (gegenüber sonst meist unter 100.000 Anträgen). Es gibt zwar auch in den USA Gewerkschaften, sie haben aber weit weniger Einfluss als beispielsweise in Österreich.Eine funktionierende Sozialpartnerschaft gibt es nicht, genauso wenig wie ein Kurzarbeitszeitmodell.

Verlieren die Menschen ihren Job, verlieren sie hier in den USA auch gleichzeitig ihre Krankenversicherung.

Franziskus B. aus Philadelphia

„Verlieren die Menschen ihren Job, verlieren sie hier in den USA auch gleichzeitig ihre komplette Krankenversicherung“, so Franziskus. Es gibt kein öffentliches Sozialversicherungssystem wie in Österreich – keine öffentliche Krankenversicherung. „Ich bin in der glücklichen Lage, dass ich eine Krankenversicherung habe und trotzdem bezahlt man hohe Selbstbehalte von mindestens 100 Dollar pro Arztbesuch. Ohne Krankenversicherung sind es gleich über 350 US-Dollar (= ca. 300 Euro)“, berichtet er. „Daher gehen die meisten gar nicht erst zum Arzt. Viele AmerikanerInnen wollen es auch gar nicht anders. Sie meinen, sie werden eh nie krank und stempeln Sozialsysteme, wie es sie in Europa gibt, als sozialistisch oder kommunistisch ab, so der Oberösterreicher. Ich würde ein Sozialversicherungsmodell wie in Österreich jederzeit wieder vorziehen.

 

  • God save the queen - Großbritannien

Nachdem in Großbritannien mittlerweile sogar Thronfolger Prince Charles und Premierminister Boris Johnson am Coronavirus erkrankt sind, nimmt die Regierung, die das Ausmaß der Krise lange unterschätzt hat, die Situation endlich ernst. „Das Gesundheitssystem steht kurz vor dem totalen Zusammenbruch“, berichtet die aus Wien stammende Bettina T., die seit mehreren Jahren in London lebt und arbeitet. „Der Sozialstaat wird seit Jahrzehnten abgebaut – das rächt sich jetzt.“ Mit Anfang April zählt auch Großbritannien bereits über 55.000 Erkrankte und über 6.000 Todesfälle.

Der Sozialstaat wird seit Jahrzehnten abgebaut – das rächt sich jetzt.

Bettina T. aus London

Der Staat setze zwar in der Corona-Krise endlich Maßnahmen, unterstütze allerdings in erster Linie die Wirtschaft. „Die arbeitenden Menschen bleiben über.“ Die Regierung hätte jetzt sogar dazu aufgerufen, dass pensionierte ÄrztInnen und KrankenpflegerInnen ohne Bezahlung zurück zur Arbeit kommen sollen, um das System halbwegs am Laufen zu halten, so Bettina. „Supermarktangestellte arbeiten weiterhin für einen Mindestlohn, für den man sich in London nicht einmal ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft leisten kann.

Die britische Regierung habe zwar ebenfalls dazu aufgerufen, von zuhause aus zu arbeiten und öffentliche Einrichtungen wie Pubs, Theater oder ähnliches zu meiden – aber nicht als rechtlich bindende Anordnung, erzählt die Wienerin. Die Gaststätten und Hotels bleiben weiterhin geöffnet, nur Gäste und KundInnen bleiben aus. „Die Betriebe bleiben auf ihren Kosten sitzen und riskieren zusätzlich die Gesundheit ihrer MitarbeiterInnen und KundInnen.Staatliche Unterstützung gibt es hier nicht und immer mehr Menschen werden arbeitslos“, so Bettina.

Zusammen sind wir stärker

Als Gewerkschaftsbewegung setzen wir uns mit aller Kraft dafür ein, dass der österreichische Sozialstaat erhalten bleibt und stetig weiter ausgebaut wird. Dementsprechend werden wir uns heute und auch in der Zukunft gegen alle Angriffe auf unseren Sozialstaat, Kürzungen und Einsparungen wehren. Wenn auch du den österreichischen Sozialstaat schützen willst, werde jetzt Gewerkschaftsmitglied!