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Grafik mit vielen Fischen und einer Angel
Geht es um die Reichsten der Gesellschaft, fischen wir oft im Trüben. 6,5 Milliarden Euro gehen dem österreichischen Sozialstaat jedes Jahr verloren, weil es kaum Steuern auf Vermögen und Gewinne gibt. ÖGB/Bischof

Wie angelt man sich einen Millionär?

Österreich ist ein schönes Land für Erb:innen und Superreiche. Denn im Gegensatz zu Arbeitnehmer:innen müssen sie kaum zum Gesamtsteueraufkommen beitragen

Wer sind Österreichs Superreiche? Warum wäre eine Besteuerung von Erbschaften und Vermögen besonders wichtig? Was haben uns andere Länder voraus? Wir haben die wichtigsten sieben Punkte zusammengefasst.

1. Wer sind Österreichs Superreiche?

Immobilien-Tycoon René Benko, Glücksspielkonzern-Novomatic-Vorstand Johann Graf, die Familien Swarovski (vom gleichnamigen Glitzerstein-Konzern) und Porsche-Piëch (die die Mehrheit am Volkswagen-Konzern hält): Es gibt einige ÖsterreicherInnen mit klingenden Namen, die aus ihrem Reichtum kein Geheimnis machen. Sie zieren Jahr für Jahr die Reichsten-Listen von „Forbes“ und „trend“-Magazin. Doch obwohl diese Rankings durch die Schlagzeilen des Landes geistern, ist eine realistische Einschätzung der Vermögen schwierig. Denn öffentliche Angaben zu ihrem Vermögen müssen die Reichsten der Reichen nicht machen.

So viel ist aber bekannt: Eine Studie der Oesterreichischen Nationalbank zeigt, dass Österreichs Superreiche noch weitaus mehr besitzen als bisher angenommen. Das reichste Prozent hält bis zu 50 Prozent allen Hab und Guts im Land. Damit hortet eine kleine Gruppe mehr Vermögen, als 99 Prozent aller Menschen in Österreich gemeinsam besitzen.

2. Ich will Millionär:in werden! Muss ich einfach fleißig sein?

Laut Global Wealth Report gab es zwar in Österreich 2021 über 270.000 Dollar-MillionärInnen, aber für alle, die sich Hoffnungen machen, selbst irgendwann zu dieser illustren Runde zu gehören, haben wir schlechte Nachrichten. Mit unselbstständiger Arbeit ist es in einem (Berufs-)Leben kaum möglich, auch „nur“ eine Million Euro anzuhäufen. Der/Die durchschnittliche Arbeitnehmer:in müsste dafür rund 40 Jahre arbeiten, ohne Geld für Wohnen, Essen, Kleidung oder Urlaub auszugeben. Wer wirklich reich werden will, sollte erben.

3. Warum ist Österreich so ein schönes Land für ErbInnen?

Jedes Jahr werden hierzulande rund zehn Milliarden Euro vererbt, bis 2040 wird diese Zahl auf 20 Milliarden steigen – nach aktuellem Stand steuerfrei. In Österreich gibt es seit 2008 keine Erbschafts- und Schenkungssteuer.

Dadurch gehen unserem Staat Milliarden verloren. AK-Chefökonom Markus Marterbauer berechnete, dass eine Erbschaftssteuer allein im Falle des vor Kurzem verstorbenen Red-Bull-Chefs Dietrich Mateschitz drei Milliarden Euro für das Sozialsystem gebracht hätte. Mateschitz selbst, der seinen Hinterbliebenen 25 Milliarden steuerfreie Euro hinterlässt, befand eine Vermögenssteuer als „durchaus fair und legitim“. Der Rest Europas zieht in Sachen faire Besteuerung an uns vorbei. Denn nur in fünf europäischen Ländern gibt es keine Erbschaftssteuern. Damit gehen dem Sozialstaat nicht nur Unsummen verloren, es ist auch für das soziale Gleichgewicht im Land fatal. Sebastian Leitner, Wirtschaftsexperte am Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche, hat gezeigt, dass Erbschaften in Österreich hauptverantwortlich für die ungleiche Verteilung des Wohlstands sind. 7 von 10 Haushalten in Österreich erben übrigens gar nichts.

4. Was geht es mich an, wie viel andere haben?

Vermögen sind in Österreich doppelt so ungleich verteilt wie im westeuropäischen Durchschnitt. Während durch Pandemie, Krieg und Energiekrise viele ihr Erspartes aufbrauchen und der Wohlstand aller im Schnitt um zehn Prozent zurückgeht, legte die Zahl der Reichsten zu. Vor 15 Jahren gab es hierzulande 40 Menschen mit Dollar-Milliarden-Vermögen – 2021 waren es 49.

Fakt ist: Auch die Möglichkeit, einen guten Job und entsprechend hohe Einkommen zu bekommen, wird in Österreich immer noch vererbt. Und dieser Reichtum wird nicht durch Steuern umverteilt, sondern bleibt fest in den Händen der wenigen Reichen.

Den Großteil der Steuern, die unser sozialstaatliches System stützen, bezahlen ArbeitnehmerInnen, PensionistInnen und KonsumentInnen. Diejenigen, die ihr Leben lang gearbeitet haben, schultern 80 Prozent der Steuerlast. Unternehmen und Vermögende übernehmen nicht einmal 15 Prozent – das ist halb so viel wie im OECD-Schnitt. Und nicht nur das: Die Steuern, die es gibt, werden allzu oft umgangen. Wie die AK zeigt, fehlen unserem Sozialstaat unter anderem durch Unternehmen und Vermögende, die ihre Steuern nicht zahlen, bis zu 15 Milliarden Euro – und das allein im Jahr 2021.

Wer finanziert den Sozialstaat? Tortengrafik: 80% Löhne und Konsum, 6% Unternehmensgewinne, 3% Vermögen, 11% Sonstige (Hunde-, Kommunalsteuer)
Der Großteil der Steuern, die unseren Staat finanzieren, kommen aus Abgaben auf Arbeit und Konsum. Reiche und Unternehmen leisten hingegen nur einen sehr kleinen Beitrag. ÖGB

5. Wie viel Macht haben Superreiche?

Eine Studie des Sozialministeriums aus dem Jahr 2019 zeigt, dass Menschen mit hohem Einkommen und Vermögen sich mehr für Politik interessieren. Lässt sich das auf das Wahlverhalten der Menschen umlegen, ist das eine Gefahr für die Demokratie. Denn reiche Menschen wählen in ihrem eigenen Interesse. Wenn Menschen mit wenig Vermögen und Einkommen nicht wählen, werden sie als Wählergruppe für die Politik weniger wichtig. Das erhöht die Gefahr, dass Politik im Sinne der Reichen gemacht wird – noch stärker als bisher, so die Studie.

Aber reiche Menschen interessieren sich nicht nur mehr für Politik, sie können sie auch direkt beeinflussen. Zum Beispiel durch Parteispenden. Superreiche spenden große Beträge an Parteien, die ihre Interessen vertreten. Diese machen die Politik in diesem Land – und sorgen unter anderem dafür, dass es keine weiteren vermögensbezogenen Steuern gibt. Laut aktuellem Regierungsprogramm soll es sogar weitere Steuerzuckerln geben. Der ÖGB fordert, dass die geplante Senkung der Unternehmensgewinnsteuer (Körperschaftssteuer) gestoppt wird. Denn dadurch würde dem Sozialstaat jedes Jahr fast eine Milliarde Euro entgehen.

Übrigens: Höhere Beiträge von Reichen und Unternehmen mit hohen Gewinnen würden den Wirtschaftsstandort – anders, als gerne behauptet – nicht gefährden. Im Gegenteil, sie würden dafür sorgen, dass mehr Mittel für Zukunftsinvestitionen zur Verfügung stehen und ArbeitnehmerInnen entlastet werden.

6. Was könnten wir mit Vermögens- und Gewinnsteuern finanzieren?

Eine Millionärssteuer mit einer Besteuerung ab einer Million Euro pro Haushalt schlägt etwa die Gewerkschaft GPA vor. Durch den großzügigen Freibetrag von 999.999 Euro träfe die Steuer nur die reichsten vier bis fünf Prozent der Haushalte – HäuslbauerInnen wären nicht betroffen. Das könnte dem Sozialstaat jährlich etwa fünf Milliarden Euro bringen.

Mit den Einnahmen aus einer Millionärssteuer, einer Erbschaftssteuer und der Rücknahme der geplanten Körperschaftssteuer-Senkung könnten jedes Jahr rund 6,5 bis 7 Milliarden Euro eingenommen werden, die in Bereichen wie Bildung, Pflege, Gesundheit, Klimaschutz und soziale Absicherung mehr als dringend benötigt werden.

Eine Übergewinnsteuer nach ÖGB/AK-Modell für Energieunternehmen, die sich an der Teuerungskrise eine goldene Nase verdienen, bringt zusätzlich bis zu zwei Milliarden Euro im Jahr. Das ist Geld, das die Menschen in Österreich dringend brauchen.  Diese Summe muss für die Entlastungsmaßnahmen in der Teuerungskrise aufgewendet werden. In Zeiten von multiplen Krisen und zunehmender Teuerung legt der ÖGB seit einem Jahr konkrete Vorschläge auf den Tisch: Es braucht dringend einen Energiepreisdeckel für alle Heizformen – eine Strompreisbremse ist nicht genug. Die Mehrwertsteuer auf Öffi-Tickets, Sprit und Lebensmittel muss befristet ausgesetzt werden. Die Mietzinserhöhungen müssen zurückgenommen und ausgesetzt werden, eine gesetzliche Mietobergrenze für Wohnungen über 30 Jahren den Mietmarkt entlasten.

7. Superreiche zahlen also fast nichts: Müssen wir das hinnehmen?

Fairness im Steuersystem ist die Grundlage eines funktionierenden Sozialstaates. Hat eine Gruppe von Menschen – etwa die ArbeitnehmerInnen – das Gefühl, eine unfaire Steuerlast zu tragen, schwächt das die Akzeptanz gegenüber dem Sozialstaat.

Europäische Beispiele zeigen, dass es nie zu spät für mehr Fairness ist: Spanien führte zuletzt eine Solidaritätssteuer ein. Die kommenden zwei Jahre sollen Menschen mit einem Vermögen ab drei Millionen Euro eine Sondersteuer zahlen, die jedes Jahr 1,5 Milliarden Euro in die Staatskassen bringt. Damit werden unter anderem Steuersenkungen für GeringverdienerInnen finanziert.

Wie eine faire Verteilung der Steuerlast gelingen kann, zeigen viele Staaten. Von 100 Steuer-Euros in Österreich kommen nur 1,3 Euro aus Vermögen, im OECD-Schnitt sind es 5,6. In Staaten wie Großbritannien, Kanada oder den USA sind es über zehn. Hinter Österreich liegen nur Tschechien und Lettland, was Fairness bei der Verteilung der Steuerlast angeht.

Dabei hat die EU-Kommission Österreich bereits 2019 empfohlen, das Steuersystem umzugestalten: runter mit den Abgaben auf Löhne, hin zu „wachstumsfreundlicheren Einnahmequellen“ – wie Erbschafts- und Vermögenssteuern.

 

 

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