Arbeitswelten
Familie Fluch ist Segen für den Wald
In der Familie Fluch war schon Großvater Franz ein Holzknecht. Enkel Fabian führt die Tradition fort, als Förster schützt und pflegt er den Wald für kommende Generationen.
Text: Toumaj Faragheh, Mitwirkende: Marliese Mendel
Rund um den Hubertussee, da wo sich Wallfahrerinnen und Wanderer treffen, war Holzknecht Franz Fluch von 1955 bis 1985 mit seinem Pferdeschlitten im Einsatz. Die Zeiten und auch die Arbeitsweise haben sich geändert, das Engagement für den Lebensraum Wald liegt der Familie Fluch aber im Blut: Heute arbeitet hier Enkel Fabian als Förster. So mancher Baum steht hier wohl schon so lange, dass er Großvater und Enkel Fluch persönlich kennengelernt hat. „So wie es meinem Großvater wichtig war, den Wald nachhaltig zu nutzen und zu erhalten, so ist es mir wichtig, ihn klimafit zu machen, also auf eine gute Mischung von Laub- und Nadelholzarten zu setzen, damit künftige Generationen was davon haben“, sagt Fluch.
Ursprünglich hat er eine Lehre zum Tischler gemacht. Doch irgendwann wollte er dahin, wo das Holz herkommt. Schließlich wurde der Wald sein Arbeitsplatz und die Bundesforste wurden sein Arbeitgeber. „Holz hat mich schon als Tischler fasziniert, aber die Tätigkeit in der Natur – mit dem wachsenden Rohstoff zu arbeiten –, das ist was anderes.“ Der Duft, die Bäume, der Wind, aber auch die Stille, die einen Förster täglich begleitet, das mache den Job so besonders.
Lebensgefahr am Lagerfeuer
Von Mittagspausen am Lagerfeuer hatte der Großvater seinem Enkel immer wieder erzählt, aber auch von der ständigen Lebensgefahr bei den Schlägerungsarbeiten. „Mit den großen Baumstämmen konnte man damals auf Hängen nur schwer bremsen und die Wegzeiten mit dem Holz auf den Karren dauerten ewig. Heute geht alles schneller und mit den Maschinen auch sicherer. Dafür gibt es keine Lagerfeuer mehr. Wir machen eine kurze Pause und dann geht es weiter.“ Gefährlich kann die Arbeit im Wald aber auch heute noch sein. Bei den Schlägerungsarbeiten muss jeder Handgriff sitzen. „Die Technik ist wichtig, auch die Frage, wie und wo der Baum fallen wird“, erklärt Fluch. Eine professionelle Ausbildung und eine sichere Ausrüstung sind unerlässlich.
Klimawandel: Druck auf den Wald
Fast die Hälfte, nämlich 48 Prozent Österreichs, sind Wald – und der leidet. Trockenheit und steigende Temperaturen sorgen unter anderem dafür, dass sich Schädlinge wie Borkenkäfer pudelwohl fühlen, und das bedeutet viel Arbeit, wie Fluch erklärt: „Käferbefallene Fichten zu schlägern, kostet uns viel Zeit, aber wir müssen sie zum Schutz des anderen Baumbestandes rasch aus dem Wald bringen.“ Die Arbeit im Wald wird jedenfalls durch den Klimawandel herausfordernder. Und klar ist: Der Wald, mit dem Fabian Fluchs Enkel leben werden, wird ein anderer sein.
Im Winter 1947 hat die Solidarität die steirischen Holzknechtbuam bei ihrer gefährlichen und anstrengenden Arbeit besucht. 76 Jahre später waren wir wieder vor Ort. Heute kümmert sich Förster Fabian Fluch um Teile des steirischen Waldes.
Ja, die Holzknechtbuama müssen früh aufstehn … Winterbesuch bei den steirischen Holzknechten
Wohl braucht man im Winter die oben gemachte, meist gesungene Behauptung nicht allzu ernst nehmen, doch auch im Winter rasten die Holzknechte nicht. Der spät anbrechende Tag läßt den „Buam" doch einige Stunden länger auf der Pritsche in der Holzknechthütte dösen. Seine neun Stunden radelt er in den frostigen Wintertagen herunter, dies aber „net im Akkurd“, wie mir der Ohrer Hansl erläutert, indes ich mit ihm und seinen Kameraden im Lavantgraben um ein riesiges Holzfeuer sitze. Die Buam, richtige ausgewachsene Mona, haben eben „z' Mittag g'macht". Jeder hat aus seinem Buckelsack das einzige Essen des Tages gekramt, denn die steirischen Holzknechte bezeichnen gleich den Bauern alle anderen Mahlzeiten des Tages als Suppe oder Jause, obwohl sie oft das Mittag- an Größe übertreffen.
Meist ist es ein kleines Stück Speck von der Weihnachtssau, ein schnell gemachter Schmarrn oder Knödel, die diese Kochkünstler der Wälder als Mittagsspeise hinunterschlingen, um dann gemütlich um das wärmende Fetter zu sitzen. Aus dem selbstgebauten Tabak „wuzzeln" sie auch ihre Zigaretten, das Feuer spendet ein Scheit des Waldes, den sie in der Zeit zwischen dem Herbst und dem richtigen Winter durchzuputzen haben. Wenn der feuchte Bergnebel das Holz recht „schlitzig“ macht, fördern sie die im Sommer geschlagenen Stämme zum Fahrweg.
Gefährliche Arbeit
Die Stämme werden durch den Schlag und den Hochwald weder getragen noch gerollt. ,,Das Holz geht selber", erklärt mir der Hansl. Etliche Stämme leg'n ma nebeneinander, die anderen schupf'n mir -drüber, dös geht recht scharf abi und baut uns die Rutschbahn weiter." Pfeilschnell sausen die schweren Stämme über diese einfache Riese zu Tal. Manch Holzknecht hat sein Leben unter einem Bloch verloren, wenn er nicht „sakrisch" aufgepaßt hat. Selbst ein wenig Schnee behindert die Arbeit im Walde nicht. Nur die Kälte macht das Holz spröde wie Glas und zwingt zu besonderer Aufmerksamkeit.
Der Hammer zeigt's an
An den steil zu Tal führenden Hohlwegen warten die schälten und markierten Stämme. In den Schnittflächen ist die Marke der Arbeitskolonne eingeschlagen und mit ihr übernimmt der Partieführer die Verantwortung für das von ihnen geschlägerte Holz. „Da gibt's koa
Streiten, wenn der Hammer drauf is“, meint der Bärnthaler Seppl und lächelt dabei listig und fügt hinzu, „wenn was net stimmt, setz ma halt kan Hammer drauf". Hinter diesem „Nichtsstimmen" steckt ein Teil der Kunst des Schwindelns, denen die urwüchsigen Werker des Waldes in früherer Zeit frönten: „Eppa war a Astl faul, setz ma halt a neuchs Stamml eini. Bei der Brettersäg fallt's nacha eh wieda aussa." „Falls uns a kernfauler unters Sagl kumma ist, stopf ma an die Enden an Stoppl eini und verschmieren's a wengl mit Erd'n. – Aber hiazt mach ma so was neamma", beschönigt der Oasl. „So a g'faulter Block wird Brenholz und is ma dös liabste zum wama für die Mittagsstund.“
Buama geh' mas an!
Durch den leicht beschneiten Wald kling das Läuten einer Glocke. „Der Naz immt schon, Buama, gehn mas an!" fordert der Hansl seine Mitarbeiter auf, die heute schon etwas gedehnte Mittagsstunde zu beenden. Bald steht der kleine Schlitten bereit, um die vielen Stämme aufzunehmen und als Vorspann scharrt ein kräftiger Pinzgauer im Schnee. Stamm um Stamm rollt vom Stapel, fast meint man, der kleine Schlitten müsse zusammenbrechen. Doch der Naz fordert mehr: „Hiazt hängts ma no etliche zuwi!" Noch einige schwere Bloche werden rückwärts mit Ketten an den schwer beladenen Schlitten gehängt. ,,Je mehrer, desto guata", erläutert der Gespannmeister. Wenn der Pfad hübsch gach abigeht, is dös Anhängsel die beste Bremsen. Den Schlitten brems i außerdem eh mit der vurghängten Kettn." Er weist mir die bereitgelegte Kette, die vor jedem Steilabfall des Weges unter die Kufe gelegt wird und die allzu rasche Fahrt hemmt.
Durch steile Hohlwege ins Tal
„Los, schwarzer Teufel!" Ein Knaller mit der Peitsche und die Fahrt beginnt. Da rollt und rumpelt es durch den steilsten Hohlweg hinunter. Bei flachen Stellen muß das Pferd kräftig ziehen, um die viele hundert Kilogramm schwere Last zum Stapelplatz u bringen. Die Stämme, die schon von den Fällern auf Normalmaße von 4 bis 16 Meter geschnitten wurden, werden hier zum Verwendungszweck sortiert, gemessen und sofort wird die geförderte Festmetermenge berechnet. Dünne Stämme werden für Schleifholz bereitgelegt, die stärkeren Blochs werden in der Säge am Lavantbach in Bretter geschnitten oder als Rundholz weitergeliefert. Immer wieder klingen die hellen Schläge der Axt durchs Tal, denn oben im Hochwald wird weitergesäubert. Alle schwachen Stämme, „alle unterdruckten Bam, die nie zur Sunn kemman", fallen der Säge zum Opfer, solange sie noch nicht faul sind. Die Schnee und Windbrüche werden weggeputzt, denn im Frühjahr muß der Wald sauber dastehen. Dann beginnt die Großschlägerei und mit ihr das Schälen der Rinde, das nur In den Monaten Mai bis Juni möglich ist.
Und wann alles hängen tuat
Wenn die leichte Abenddämmerung aus den Tälern steigt, treten sie müde den Heimweg zur Hütte an. Weitab von den Behausungen der Menschen steht auf einer Waldblößung die rauchgeschwärzte Hütte, die den Buama vom Montag bis zum Samstag Heimstatt ist. „Gern hock ma dann am Strohsack", gesteht der knorrige Peter ein, „dös Sitzen tuat guat.“
Jetzt prasselt ein echter Türkensterz, ein schwarzer Schmarrn oder die Grösschtn in der Pfanne und eine bescheidene Schlemmerei beginnt und der „Schwarze" beendigt die Suppenzeit. Keiner hat Lust, jetzt noch auszufliegen oder durch den Schnee zum Fenster einer Schönen zu stapfen.
Ein abgegriffenes Kartenspiel wandert vom Geber zum Spieler, sie ,,färbeln" oder „moascheln" um wenige Groschen oder sitzen auf den Pritschen und „lassen 's Maul lafen“, denn „wann scho alles hängt, dö Gosch'n is no net müad wur'n". Bald wird der Diskurs ruhjger, der eine oder andere kriecht unter die Decke, denn der nächste Morgen bringt wieder schwere Arbeit.