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Pflegeberufe

Mit Applaus ins Burn-out: Droht jetzt der Pflegenotstand?

Beschäftigte in Pflegeberufen verlassen scharenweise die Spitäler, Pflegeheime und mobilen Dienste – und das nicht erst seit der Corona-Pandemie

Fast eine halbe Million Menschen in Österreich brauchen Pflege. Mit ihrer Betreuung sind jedes Jahr rund 1,2 Millionen Menschen beschäftigt, darunter medizinische PflegerInnen, 24-Stunden-BetreuerInnen und Angehörige. Medizinischer Fortschritt und steigende Lebensqualität führen dazu, dass 2030 anderthalbmal so viele Menschen über 80 Jahre in Österreich leben werden als noch vor zehn Jahren. Das bedeutet aber auch, dass bis 2030 76.000 Pflegekräfte fehlen werden, bis 2050 weit über 100.000.

Steht Österreich vor einem Pflegenotstand? „Nein“, sagt Martina Lackner, Pflege-Expertin des ÖGB, „wir sind bereits mitten in einem Pflegepersonal-Notstand!“ Auf Österreichs Pflege kommt eine Pensionierungswelle zu. Gleichzeitig verlassen Menschen, die den Pflegeberuf ausüben, im Schnitt nach zehn Jahren ihre Branche, weil sie nicht mehr können.

Pflegepersonal in Österreich

152.000 Menschen arbeiten in Österreich in der Pflege, 70.000 davon in der Langzeitpflege.

Die Beschäftigten sind zu 80 Prozent Frauen.

Sie verdienen zwischen 2.000 und 2.800 Euro brutto.

Die Berufsbilder sind vielseitig und umfassen u. a. Heimhilfe, Pflege(fach-)assistenz, Alten-Sozialbetreuung oder Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflege.

Die Teilzeitquote ist hoch: 13 Personen decken zehn Vollzeitstellen ab.

Pflegepersonal massiv unter Druck

Wochenend-, Nacht- und Zwölf-Stunden-Dienste, spontanes Einspringen – Alltag im Pflegeberuf. Vorwiegend Frauen arbeiten hier. Um für sie attraktivere Arbeitsbedingungen zu schaffen, ist die Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf essenziell.

Die Arbeitsbedingungen müssen schleunigst verbessert werden, weiß ÖGB-Expertin Martina Lackner. Laut Arbeitsklima Index der Arbeiterkammer Oberösterreich liegt der große Druck im Pflegeberuf in erster Linie an der überdurchschnittlich hohen Verantwortung. Diese Verantwortung spüren zwei Drittel aller Pflegekräfte – im Durchschnitt aller Berufstätigen ist es nur ein Viertel. 

Österreich steht nicht vorm Pflegenotstand, sondern bereits mitten in einem Pflegepersonal-Notstand!

Martina Lackner, Pflege-Expertin des ÖGB

Auch die schwere körperliche Anstrengung, die hohe Konzentration und der direkte Kontakt mit Kranken belasten die Psyche und führen bei vielen zum Berufswechsel oder ins Burn-out.

Pflegende Angehörige in Österreich

Fast eine Million Menschen kümmern sich um ihre Angehörigen.

Zu rund 70 Prozent sind das Frauen.

Je zu einem Drittel handelt es sich dabei um PartnerInnen oder Kinder des/der zu Pflegenden.

Das Durchschnittsalter der pflegenden Angehörigen ist knapp über 60 Jahre.

Ein Drittel von ihnen ist erwerbstätig.

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Sinnstiftender Beruf sucht Nachwuchs

Dabei ist der Pflegeberuf grundsätzlich ein schöner, sinnstiftender Beruf, wie die Gespräche mit Beschäftigten zeigen. Umso dringender braucht es eine Entlastung der Fachkräfte. Ein kleiner Schritt ist getan: Die Gewerkschaften haben erreicht, dass seit 1. Jänner 2022 die Regelarbeitszeit in der Sozialwirtschaft auf 37 Stunden gesenkt wurde.

Den nächsten nötigen Schritt sieht die ÖGB-Expertin in der Nachwuchspflege. Deswegen fordert die Gewerkschaft eine Pflegestiftung, die junge Menschen und jene, die den Beruf wechseln wollen oder auf Jobsuche sind, zu Pflegekräften ausbildet. „Wichtig ist dabei, dass sie während der Ausbildung finanziell abgesichert sind“, betont Lackner.

24-Stunden-BetreuerInnen in Österreich

24-Stunden-BetreuerInnen sind zu mehr als 98 Prozent Frauen.

60.000 BetreuerInnen kümmern sich um rund 24.000 PatientInnen.

24-Stunden-BetreuerInnen sind vorwiegend über 50 Jahre alt.

Zu 50 Prozent kommen sie aus Rumänien, zu 30 Prozent aus der Slowakei, rund 20 Prozent aus Kroatien, Ungarn, Polen, Tschechien oder Slowenien, nur zwei Prozent sind aus Österreich.

Sie verdienen 60 bis 100 Euro brutto am Tag.

Pflege: Kernaufgabe des Sozialstaates

Obwohl die Corona-Krise uns allen wie kein anderes Ereignis der Zweiten Republik die Wichtigkeit des Gesundheitssystems vor Augen geführt hat, bleibt für viele Beschäftigte nicht mehr als müder Applaus. Pflege und Versorgung sind Kernaufgaben des Sozialstaats. Der Staat muss dringend investieren – und zwar gehörig. Derzeit kostet das Pflegesystem rund fünf Milliarden Euro, 2050 werden es 16,5 Milliarden sein.

Pflegebedürftige Personen in Österreich

63 Prozent der pflegebedürftigen Personen sind Frauen.

Es gibt 462.820 Pflegegeld-BezieherInnen.

Ein Drittel ist zwischen 60 und 80 Jahre alt, ein weiteres Drittel zwischen 80 und 90 Jahre.

Fast 50 Prozent sind in Pflegestufe 1 und 2.

Die Hälfte ist länger als sechs Jahre pflegebedürftig.

Eine mögliche Gegenfinanzierung sieht Lackner in der Besteuerung großer Vermögen und Unternehmensgewinne. Österreichs Pflegekräfte, BetreuerInnen und pflegende Angehörige leisten Herausragendes. Es ist höchste Zeit, sie zu entlasten, will man einen Kollaps vermeiden. Die Pflege ist zur Notfallpatientin geworden. Doch noch gibt es Lebenszeichen.

 

 

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