Interview
Was wird die Zukunft bringen?
Vor welchen Herausforderungen stehen wir und wofür kämpf(t)en Gewerkschaften gestern, heute und morgen?
Die eine ist angehende Buchhändlerin, die andere scheidende AMS-Beraterin. Die eine startet motiviert ins Berufsleben, die andere träumt von fernen Ländern in der wohlverdienten Pension. Claudia Satler und Susi Friesinger haben in der Jubiläumsausgabe der Solidarität verraten, was für sie im (Arbeits-)Leben wichtig war und ist. Vor welchen Herausforderungen stehen wir und wofür kämpf(t)en Gewerkschaften gestern, heute und morgen?
Susi Friesinger ist Ehefrau und Mutter, lebt in Niederösterreich, ist gelernte Bürokauffrau und hat nach einigen anderen Stationen schließlich mehr als drei Jahrzehnte beim AMS gearbeitet. In wenigen Wochen geht sie in Pension. Auf der Pensionswunschliste ganz oben steht ein Thailandurlaub.
Du stehst wenige Wochen vor der Pensionierung – herzlichen Glückwunsch! Wirf doch bitte einen Blick zurück: Wie war dein Arbeitsleben?
Geradlinig, kann man wohl sagen. Ich habe Bürokauffrau gelernt, hatte drei Arbeitsstellen und bin jetzt seit 33 Jahren beim AMS (Arbeitsmarktservice). 25 Jahre lang war ich auch Betriebsrätin, das hat mich sehr erfüllt. Ich mache meinen Job unheimlich gerne, auch wenn er einem viel abverlangt. Ich sehe direkt, wie das ist, wenn jemand mitten im Berufsleben, mit Familie und Krediten, den Job verliert. Das kann man nicht immer abstreifen, wenn man nach Hause geht. Man muss trotzdem positiv bleiben, sonst kann man’s gleich bleiben lassen.
Mein Mann und ich, wir haben beide durchgehend Vollzeit gearbeitet, bis auf ein paar Jahre Karenz, die ich am Pensionskonto aber nachgezahlt habe. Wir hatten Glück, weil meine Eltern im gleichen Haus leben und die Kinder übernommen haben, wenn mein Mann und ich gearbeitet haben. Das war nicht immer leicht, aber so konnten wir uns ein bisschen was zur Seite legen und können jetzt entspannt in die Zukunft schauen.
Du gehst jetzt in Pension: Fühlst du dich für diese Lebensphase gut abgesichert?
Ja schon. Wir haben in Österreich ja Glück mit dem Pensions- und Gesundheitssystem, wenn man sich im Rest der Welt umschaut. Natürlich läuft nicht alles perfekt. Mein Vater brauchte gerade ein neues Knie, da hätte er auf einen Kassenplatz neun Monate gewartet. Privat waren es nur drei. Ich finde es schade, dass das so läuft. Es sollte nicht vom Geld abhängen, wie lange man auf eine Behandlung warten muss.
Dadurch, dass wir über meinen Eltern wohnen, sind wir rund um die Uhr für sie da. Sie haben sich früher um die Kinder gekümmert und uns sehr geholfen, heute betreuen wir sie. Das ist nun mal so. Aber ich würde auch gerne einmal weiter wegfahren, nach Thailand vielleicht. Doch ob und wann sich das ausgeht, wird die Zukunft zeigen.
Wenn du an deinen Berufsstart zurückdenkst: Konntest du werden, was du wolltest?
Ich wollte Hebamme werden, aber als mir klar wurde, was das alles mit sich bringt, war ich froh um meine Ausbildung als Bürokauffrau. Meine erste Stelle war im Büro einer Reinigungsfirma, dann war ich zehn Jahre im Staatsarchiv. Seither bin ich Gewerkschaftsmitglied. Im AMS habe ich als Sekretärin angefangen und konnte dann eine Qualifikation zur Sachbearbeiterin der Erwachsenenberatung machen. Hätte meine Familie damals nicht zusammengehalten, wäre das nicht gegangen. Ich kann mir aber kaum vorstellen, dass das heute noch geht, dass man als Sekretärin anfängt und dann noch quer durch den Betrieb aufsteigen kann. Es ist kein Wunder, dass junge Menschen nicht mehr 40 Jahre in der gleichen Firma bleiben.
Meine erste Stelle war im Büro einer Reinigungsfirma, dann war ich zehn Jahre im Staatsarchiv. Seither bin ich Gewerkschaftsmitglied.
Hat Klimaschutz in deinem Arbeitsleben eine Rolle gespielt?
In meinem Arbeitsleben kaum. Aber privat tun wir, was wir können, von Mülltrennung bis zur Solaranlage auf dem Dach. Das ist mir wichtig.
Was wünschst du dir vom Leben für dich, aber auch für kommende Generationen?
Dass es so bleibt, wie es ist. Es ist nicht alles perfekt, aber alles in allem ist es gut.
Claudia Satler ist gebürtige Vorarlbergerin, Ende 20 und frischgebackene Buchhändlerin. Sie blickt kritisch, aber zuversichtlich in die Zukunft. Wichtiger als Besitz und Geld sind ihr Familie und Freund:innen, ihr Buchklub, Wandern und Schwimmen in der Donau – auch wenn es noch so kalt ist.
Mit welchen Erwartungen startest du in dein Arbeitsleben?
Ich freue mich auf das Arbeitsleben. Mit Ende 20 starte ich ja recht spät, aber ich habe wirklich großes Glück, weil ich einen Beruf gefunden habe, der mir wirklich taugt. Ich gehe jeden Tag gerne hin. Da hat sich der Umweg über Matura und Universität hin zur Lehre als Buchhändlerin für mich gelohnt.
Natürlich würde ich auch gerne nur 30 Stunden arbeiten – aber das geht sich mit dem Gehalt einer Buchhändlerin und vor allem mit Blick auf die massive Teuerung leider nicht aus. Wenn es aber die Möglichkeit gäbe, bei vollem Gehalt weniger zu arbeiten, das würde ich sofort machen. Alles in allem schaue ich aber zuversichtlich in die Zukunft.
Wie sieht es mit der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben aus?
Wichtiger als Besitz und Geld sind mir meine Familie, Freundinnen und Freunde, mein Buchklub und dass ich ab und zu zum Wandern oder Schwimmen komme. Ich springe nämlich von März bis November in die Donau. Wenn ich für diese Dinge mehr Zeit hätte, wäre das schön. Dadurch, dass ich in Wien lebe, würden sich wohl auch etwaige Kinderbetreuungsverpflichtungen ausgehen. In Vorarlberg, wo ich aufgewachsen bin, wäre davon keine Rede. Da müsste ich mich entscheiden, ob mir Kinder oder Arbeit und damit Pensionszeiten wichtiger sind.
Spielt die Klimakrise für deine Jobzukunft eine Rolle?
Natürlich wird mich die Klimakrise treffen. Wen nicht? Der Buchhandel ist vom Klima abhängig – ohne Bäume kein Papier. Manchmal denke ich mir, dass es ein Wunder ist, dass sich nicht alle Menschen der Klimabewegung anschließen. Wie soll diese Welt denn in 30 Jahren ausschauen? Da müssen wir uns dann auch keine Sorgen mehr um Arbeitszeit oder Kinderbetreuung machen, wenn die Welt nicht mehr steht. Ich leiste gerne meinen Beitrag, sehe aber nicht ein, wenn die Rettung der Erde auf uns Junge abgeschoben wird. Dafür müssen Politik und Konzerne endlich die Verantwortung übernehmen, das ist auch eine Frage der Gerechtigkeit.
Fühlst du dich gut ausgebildet für deine berufliche Zukunft?
In der Berufsschule lernen wir sehr viel, aber nachdem ich ja vor der Lehre auch schon die AHS-Matura gemacht habe, fällt da für mich echt einiges weg.
Mit meinem Lehrbetrieb habe ich jedenfalls wirklich Glück – ich lerne jeden Tag so viel im Laden. Meine Eltern haben mir ermöglicht, dass ich nach der Matura und ein paar Semestern Uni noch einen neuen Bildungs- und Berufsweg einschlagen durfte. Ihnen war wichtig, dass ich mit der Matura einen höheren Bildungsabschluss erreiche, als sie es konnten. Trotzdem wusste ich erst mit Mitte 20, worin ich wirklich gut bin. Andere haben nicht so viel Glück, da spielt auch das Bildungssystem eine große Rolle. Kinder werden viel zu früh in Kategorien unterteilt. Es hängt immer noch viel zu sehr vom Beruf und Einkommen der Eltern ab, was Kinder werden können. Da hat Österreich wirklich noch ordentlich Aufholbedarf.
Mit meinem Lehrbetrieb habe ich jedenfalls wirklich Glück – ich lerne jeden Tag so viel im Laden.
Was wünschst du dir vom Leben für dich, aber auch für kommende Generationen?
Dass die Welt drüber nachdenkt, wie viel wir wirklich brauchen. Muss ich dieses Buch über Nacht liefern lassen, oder kann ich warten und es morgen mit den Öffis holen? Da hängen die Arbeitsschritte von Dutzenden Menschen dran und eine unvorstellbare CO2-Belastung. Das ist ja eine sehr persönliche, aber auch eine globale Frage, die wir uns öfter stellen sollten.
DAFÜR ÖGB
Viele wichtige Themen, die die beiden Frauen im Interview angesprochen haben, stehen ganz oben auf der To-do-Liste des ÖGB. Beim Bundeskongress Ende Juni werden die inhaltlichen Schwerpunkte der Gewerkschaftsarbeit für die nächsten fünf Jahre festgelegt und wichtige Entscheidungen getroffen. Denn nichts weniger als ein gutes Leben für alle ist das Ziel des ÖGB.
In unserem Bundeskongress-Podcast erklären unsere Expert:innen alles, was du zu unseren Lösungsvorschlägen und Forderungen wissen musst.
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