Arbeitslosengeld
Arbeitslosenversicherung Neu: Forderungen von ÖGB und AK liegen am Tisch
Ministerium muss endlich Verhandlungsvorschlag für Arbeitslosenversicherungsreform liefern - Factsheets zum Download
Bereits am 1. September 2021 hat Arbeitsminister Martin Kocher den notwendigen Reformprozess zu Arbeitslosigkeit und Beschäftigung angekündigt. Der ÖGB hat dabei stets bekräftigt, sich an der Erarbeitung des Gesamtpakets zu beteiligen. Einen Vorschlag, den man mit den Sozialpartnern – die immerhin die Beitragszahler der Arbeitslosenversicherung vertreten – verhandeln könnte, gibt es aber bis heute nicht. Die Zusammenlegung der Ressorts Arbeit und Wirtschaft in ein Ministerium darf die Reform der Arbeitslosenversicherung nun nicht noch weiter verzögern.
Österreichischer Gewerkschaftsbund und Arbeiterkammer haben ihre Positionen festgelegt (Factsheets unten zum Download). Im Zentrum der Reform der Arbeitslosenversicherung müssen folgende Säulen stehen:
Arbeitslosengeld erhöhen
Der ÖGB tritt seit Beginn der Pandemie dafür ein, das Arbeitslosengeld auf 70 Prozent Nettoersatzrate zu erhöhen. Derzeit müssen Arbeitslose mit 55 Prozent ihres vorherigen Einkommens auskommen, was dazu führt, dass 9 von 10 Arbeitslose in Armut leben.
Eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes würde nicht nur den Menschen selbst helfen, sondern auch die Kaufkraft stärken, Jobs schaffen und somit die Wirtschaft fördern. Die Leistungen bei Arbeitslosigkeit müssen also existenzsichernd sein. Die wichtigsten Forderungen dazu sind:
- Erhöhung der Nettoersatzrate auf 70 Prozent: Weiter gelten soll dabei auch die Regelung für geringe Einkommen (Ergänzungsbetrag), da es sonst für geringe Einkommen von Personen mit Kindern zu einer Verschlechterung führen würde. Die geschätzten Kosten betragen 350 Mio. Euro pro 100.000 LeistungsbezieherInnen.
- Valorisierung der sogenannten Familienzuschläge - auch in einer Lebensgemeinschaft: Für jedes Kind, für das man sorgepflichtig ist, erhält man einen Familienzuschlag von € 0,97 täglich. Dieser Betrag wurde seit 2001 nicht erhöht und bekommt man derzeit auch nicht für Kinder von LebensgefährtInnen.
- Inflationsanpassung von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe: Auch bei länger dauernder Arbeitslosigkeit wird der Anspruch derzeit nicht angepasst.
Zuverdienst muss bleiben
13 Prozent der Arbeitslosen und NotstandshilfebezieherInnen verdienen derzeit geringfügig dazu. Das sind 2022 maximal 485,85 Euro pro Monat. Und trotzdem haben 84 Prozent der Arbeitslosen mit geringfügiger Beschäftigung ein Einkommen von nicht einmal 1.000 Euro. Sie sind massiv armutsgefährdet. 50 Prozent der Frauen erreichen damit nur knapp ein Einkommen über der Armutsgrenze. Den geringfügigen Zuverdienst zum Arbeitslosengeld abzuschaffen, würde daher insbesondere Frauen stark betreffen. Die Forderungen dazu sind:
- Geringfügiger Zuverdienst zum Arbeitslosengeld und zur Notstandshilfe soll weiterhin möglich bleiben.
- Mehr Kontrolle von Unternehmen mit hohem Anteil von geringfügig Beschäftigten durch die ÖGK, die Finanzbehörde und das AMS
- Das AMS soll gezielt Unternehmen ermuntern, aus geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen von Arbeitsuchenden vollversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse zu machen.
Gute öffentliche Arbeitsvermittlung
Die Arbeitsvermittlung durch das AMS muss für ArbeitnehmerInnen eine Leiter nach oben statt – wie bisher – ein Schaufelrad in Niedriglohnbereiche werden. Die Einkommensentwicklung von Arbeitslosen soll durch die Arbeitsvermittlung nicht nachhaltig verschlechtert werden. Dazu gehört auch, dass sie ihre beruflichen Qualifikationen nach der Arbeitslosigkeit voll einsetzen können.
- Zumutbarkeitsregeln modernisieren: Der Einkommensschutz soll erhöht, zeitlich ausgeweitet und breiter angewendet werden.
- Arbeitslosengeld zeitlich verlängern: 52 Wochen Arbeitslosengeld unabhängig vom Alter
- Sanktionen staffeln statt gänzlicher Leistungsverlust bereits beim ersten Mal: Vorschlag: 25%ige Leistungskürzung bei erster Sanktion, 50%ige bei zweiter, 75%ige bei dritter und vollständiger Leistungsentfall bei vierter Sanktion.
- Strafzahlungen für das „Zwischenparken“ von ArbeitnehmerInnen durch Unternehmen: Bei Wiedereinstellung innerhalb eines Monats müssen Arbeitgeber die Kosten der Arbeitslosigkeit an das AMS zahlen.
- Wegzeiten und überregionale Vermittlung: Die zumutbare Wegzeit soll maximal ein Viertel der täglichen normalen Arbeitszeit betragen. Unterkünfte am Arbeitsort mit angemessener Ausstattung müssen für ArbeitnehmerInnen kostenfrei zur Verfügung stehen. Das AMS soll verpflichtet sein, Förderungen für Arbeitswege und Kosten für Vorstellungsgespräche einzusetzen.
- Erhöhung des Personalstandes im AMS auf ein Niveau, dass eine Stunde Beratungszeit pro arbeitsloser Person und gute Beratung von personalsuchenden KMUs möglich wird (mind. 650 zusätzliche Planstellen, sofortiger Stopp des für 2023 geplanten Personalabbaues).
- (Ziel-)Vorgaben an das AMS: Vermittlung nur in existenzsichernde Beschäftigung mit einem Mindesteinkommen von 1.700 Euro pro Monat.
Recht auf finanziell abgesicherte Weiterbildung
Der tiefgreifende Strukturwandel, vor allem aufgrund von Digitalisierung und Klimakrise, macht einen Paradigmenwechsel in der Qualifizierungspolitik, insbesondere in der des AMS, notwendig. Der dadurch entstandene Bedarf an gut ausgebildeten ArbeitnehmerInnen in Zukunftsberufen muss durch adäquate Ausbildungen gedeckt werden. Wirtschaft und Beschäftigte sowie Arbeitslose sind hier gefordert:
- Für länger dauernde Ausbildungen im Auftrag des AMS muss es eine verbesserte Existenzsicherung geben. Vorbild ist der Ausbildungszuschuss von € 400/Monat, der in Wien für Pflegeausbildungen, die länger als ein Jahr dauern, gebührt.
- Durch eine zweite Ausbildungschance nach dem AK/ÖGB-Modell eines Qualifizierungsgeldes soll dafür gesorgt werden, dass Beschäftigte und Arbeitsuchende die Möglichkeit zu einer grundlegenden beruflichen Neuorientierung erhalten. Es soll mit Rechtsanspruch, einer verpflichtenden Bildungsberatung und einem Mindesteinkommen von 1.200 Euro netto (auf Basis eines Bruttomindestlohnes von 1.500 Euro brutto) ausgestattet und so existenzsichernd sein.
- Arbeitsstiftungen als bewährte Maßnahme zur beruflichen Höherqualifizierung oder Umschulung von ArbeitnehmerInnen ausbauen und stärken.
- Bessere Berücksichtigung der Bildungsinteressen von Arbeitsuchenden.