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Koch richtet Essen in der Küche an, Kopf ist nicht zu sehen.
Mangelberufe betrifft oft Branchen, in denen Arbeitsbedingungen und Bezahlung bisher dazu führ(t)en, dass niemand die angebotenen Jobs machen will. xartproduction - stock.adobe.com

Arbeitsmarkt

Was sind Mangelberufe?

Die Mangelberufsliste wird jedes Jahr länger. Und trotzdem löst sie das Problem des Fachkräftebedarfs nicht. Was wirklich helfen würde

Jedes Jahr veröffentlicht das Bundesministerium für Arbeit gegen Jahresende die Fachkräfteverordnung und mit ihr die sogenannte Mangelberufsliste für das folgende Jahr. In den vergangenen Jahren ist diese Liste immer länger geworden. Für 2024 ist bundesweit gültige Liste von 100 Berufen auf 110 erhöht worden (2023 waren es noch 66). Dazu kommen 48 bundeslandspezifische Mangelberufe.

Ab wann ist ein Beruf ein Mangelberuf?

Mangelberufe sind jene Berufe, in denen innerhalb eines Jahres weniger als 1,5 Arbeitssuchende pro offene Stelle zur Verfügung standen. Ist das der Fall, dürfen Unternehmen für diesen Beruf Arbeitskräfte aus Drittstaaten – also außerhalb von Europa – anwerben. Die regionale Mangelberufsliste berücksichtigt dabei nur das jeweils eigene Bundesland; es ist also egal, wie viele Arbeitssuchende es für einen bestimmten Beruf in den restlichen Bundesländern gibt.  

Voraussetzung für die Anwerbung aus Drittstaaten ist, dass die einwanderungswillige Fachkraft ein konkretes Arbeitsplatzangebot in Österreich vorweisen kann und eine Mindestpunktezahl aufgrund verschiedener Kriterien (Berufserfahrung, Deutsch- oder Englischkenntnisse, Alter) erreicht.  

Der bessere Weg wäre, das Potential der Arbeitskräfte, das bereits im Land ist, zu nutzen. Man müsste ihnen nur die Chance geben.

Korinna Schumann, ÖGB-Vizepräsidentin und Bundesfrauenvorsitzende

Erweiterung der Mangelberufsliste ist keine Lösung

Die Ausweitung der Mangelberufsliste sowie die Regionalisierung sollen dafür sorgen, dass mehr Menschen aus Nicht-EU-Ländern in Österreich arbeiten können. Das betrifft oft Branchen, in denen Arbeitsbedingungen und Bezahlung bisher dazu führ(t)en, dass niemand die angebotenen Jobs machen will. Anders lässt sich nicht erklären, dass beispielsweise tausende Arbeitssuchende aus dem Bereich Gastronomie oder Pflege kommen, dort aber gleichzeitig überdurchschnittlich viele Stellen Monate lang nicht besetzt werden können. 

Die ständige Ausweitung der Mangelberufsliste wird das Problem also nicht lösen. Solange Betriebe nicht dazu bereit sind, den zukünftigen Arbeitnehmer:innen eine gute Arbeit zu bieten, wird das Problem nur verschoben. Es geht darum, die Löhne und Gehälter zu erhöhen, attraktive und planbare Arbeitszeiten anzubieten sowie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen. Außerdem geht es um Weiterbildungs- und Weiterentwicklungsmöglichkeiten, mehr Freizeit, aber auch leistbares Wohnen in der Region, in die die Menschen übersiedeln sollen. Die Betriebe, die das schon erkannt haben, haben kein Rekrutierungsproblem. 

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Dazu kommt die fehlende Ausbildungsbereitschaft vieler Betriebe, die sich jetzt auf das Fachkräfteangebot auswirkt. Jahrelang ging die Zahl der Lehrstellen zurück. Dass jetzt wieder vermehrt ausgebildet wird, ist langfristig der richtige Weg, wird das akute Problem aber auch nicht lösen. 

Arbeitsmarktzugang für Flüchtlinge

Die Mangelberufsliste hat den Fachkräftemangel also bisher nicht gelöst und wird sie auch in Zukunft nicht. „Der bessere Weg wäre, das Potential der Arbeitskräfte, das bereits im Land ist, zu nutzen. Man müsste ihnen nur die Chance geben“, sagt ÖGB-Vizepräsidentin Korinna Schumann. Die Sozialpartner und Industriellenvereinigung haben sich bereits 2016 in einem Papier darauf geeinigt, dass Asylwerber:innen ein halbes Jahr nachdem sie einen Asylantrag gestellt haben, Zugang zum Arbeitsmarkt bekommen sollen. Dieser Vorschlag (und dazugehörige Begleitmaßnahmen wie Qualifizierungsüberprüfungen) ist bis jetzt nicht umgesetzt, könne aber konkret zur Lösung des Fachkräfteproblems beitragen. 

„Es ist absurd, einerseits um Fachkräfte aus dem Ausland zu buhlen und andererseits Menschen, die bereits in Österreich sind, und arbeiten möchten, wieder wegzuschicken“, sagt Schumann. Sie erinnert auch an das Entsetzen vieler Unternehmen, die ihre gut ausgebildeten Lehrlinge verloren haben, weil diese nach der Ausbildung in ihre Heimatländer abgeschoben wurden. Wer das Problem des Fachkräftebedarfs ernsthaft lösen möchte, sollte die Mangelberufsliste endlich überdenken, an besseren Arbeits- und Ausbildungsbedingungen arbeiten und ideologische Vorbehalte gegenüber Flüchtlingen hintanstellen. 

 

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