Niederösterreich
60 und keine Arbeit in Sicht
Die Krise verschärft die Situation für ältere Langzeitarbeitslose – ein Überbrückungsgeld bis zur Pension kann helfen
Herbert ist 60. Er lebt in Kapfenberg, wo er in der Produktion in einer mittelgroßen Firma beschäftigt war. Der Steirer hat dort sein Leben lang gearbeitet – bis er im April seine Arbeit verloren hat. Aufgrund der Corona-Pandemie musste ihn sein Chef kündigen; die Auftragslage war schon länger nicht mehr gut, die Krise hat der Firma den Rest gegeben.
Herbert ist verzweifelt. Noch nie in seinem Leben war er arbeitslos. Nichts zu tun zu haben, belastet ihn. Über 70 Bewerbungen hat er in den letzten Monaten geschrieben, eine Antwort blieb meist aus. Zu einem Vorstellungsgespräch wurde er eingeladen. „Ich hoffe sehr, dass ich dort zu arbeiten beginnen kann. Bis zur Pension zuhause bleiben, kann ich mir nicht vorstellen. Auch finanziell wird das schwierig.“
Beschäftigungsperspektive geht gegen Null
Ähnlich und noch schlimmer geht es vielen älteren Arbeitslosen. Sind sie einmal arbeitslos, finden sie nur schwer wieder Beschäftigung. Vor allem für Langzeitarbeitslose hat sich die Situation aufgrund der Corona-Krise noch verschärft. Mit Oktober 2020 sind rund 71.000 Menschen beim AMS als langzeitarbeitslos gemeldet, mehr als 25.000 davon sind Langzeitarbeitslose 55+. Mit Ende Dezember 2020 ist die Zahl der Langzeitarbeitslosen sogar auf 81.513 gestiegen. Ihre Beschäftigungsperspektive geht gegen Null – auch deshalb, weil es einfach viel zu wenige Jobs für viel zu viele Arbeitslose gibt. Derzeit kommen zehn Arbeitslose auf eine offene Stelle.
„Es braucht daher insgesamt eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes, aber besondere Maßnahmen bei älteren Menschen. Denn für sie sind der Jobverlust und die verzweifelte Suche nach Arbeit besonders belastend und vielfach aussichtslos“, sagt ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian.
ÖGB schlägt Überbrückungsgeld vor
Was tun? ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian schlägt vor, all jenen, die arbeitslos sind, wenig bis keine Beschäftigungsperspektive haben und kurz vor der Pension stehen, eine finanzielle Absicherung zu geben. Und das ohne Druck, vermittelt zu werden, und ohne aktuelle Pensionsregelungen anzutasten. Fünf Jahre vor dem frühestmöglichen Pensionsantritt sollen Langzeitarbeitslose ein Überbrückungsgeld (der Kurier berichtet) in der Höhe von 70 Prozent (Nettoersatzrate) bekommen.
„Wer sein ganzes Leben lang gearbeitet hat und dann arbeitslos wird, darf nicht zum Bittsteller werden. Hier geht es auch um Würde.“
Ältere Langzeitarbeitslose mit ohnehin schlechten Jobaussichten würden so vom Arbeitsmarkt genommen und finanziell abgesichert werden. Damit fiele nicht nur der Wettbewerb mit Jüngeren bei der Jobsuche weg, sondern auch die psychische Belastung einer ausweglosen Arbeitsplatzsuche. Das AMS könnte seine Ressourcen und Personalkapazitäten auf jene fokussieren, die bessere Vermittlungschancen haben. Und: Der Arbeitsmarkt würde ebenfalls entlastet.