Arbeitslosigkeit
Zuverdienst für Arbeitslose zum Überleben notwendig
Das Arbeitslosengeld ist in Österreich so niedrig, dass viele etwas dazu verdienen müssen – eine Abschaffung der Zuverdienstmöglichkeit hätte fatale Folgen
Wer schon einmal arbeitslos war, weiß, wie es ist, von heute auf morgen mit nur der Hälfte des Einkommens auskommen zu müssen. Im Schnitt muss ein arbeitsloser Mensch mit weniger als 1.100 Euro die Wohnung, Strom, Heizung und Lebensmittel bezahlen. Alleine bei Wohnungspreisen von oft mehr als zehn Euro pro Quadratmeter ist das unmöglich. Auf Erspartes können die wenigsten zurückgreifen und wer dann auch noch Kinder oder Angehörige versorgen muss, steht oft mit einem Fuß in der Armut.
Streichung des Zuverdienstes entwürdigend
Der Vorschlag von Wirtschaftsvertretern und kürzlich auch von der Regierungspartei ÖVP, den Zuverdienst zum Arbeitslosengeld „zu streichen oder zumindest stark einzuschränken“, ist absurd und „für Arbeitslose entwürdigend“, entgegnete ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian dieser Forderung auch schon früher. Denn viele Arbeitssuchende müssen zum Arbeitslosengeld geringfügig dazuverdienen, um überhaupt genug zum Leben zu haben.
55 Prozent vom letzten Nettoeinkommen bekommen Arbeitslose maximal ein Jahr lang. Spätestens dann rutschen sie in die noch niedrigere Notstandshilfe. Das durchschnittliche Arbeitslosengeld (1.100 €) und die durchschnittliche Notstandshilfe (871 €) liegen weit unter der Armutsgefährdungsgrenze (1.392 €). Um Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe zu bekommen, müssen Arbeitslose arbeitswillig sein. Wer nicht arbeiten gehen will, bekommt auch nichts.
Die Argumentationslinie mancher Wirtschaftsvertreter, dass der geringfügige Zuverdienst zum Arbeitslosengeld die Arbeitslosigkeit verfestige, ist schlichtweg falsch. „Im Gegenteil: Wenn jemand dazuverdient, dann hat er weiter einen Fuß in der Arbeitswelt. Die Chance, wieder Arbeit zu finden, ist wesentlich größer", so Katzian. Die Frage, die eher gestellt werden müsse, ist, ob Arbeitssuchende – vor allem ältere – überhaupt eine Chance am Arbeitsmarkt bekommen.
Es geht offensichtlich darum, einen Billiglohnsektor aufzubauen, Arbeitslose zu zwingen, jeden Job anzunehmen. Denn, wenn kein Geld mehr da ist, nimmt man jeden Job.
Daten zeigen nämlich, dass ältere und gesundheitlich beeinträchtigte Menschen von Unternehmen diskriminiert werden, erklärt Jörg Flecker von der Universität Wien. Nur 16 Prozent der Unternehmen stellten laut WIFO im Jahr 2017 Personen im Alter von über 50 Jahren ein und nur 13 Prozent solche mit gesundheitlichen Einschränkungen.
Verbot von Zuverdienst führt zu Billiglohnsektor
ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian sieht in der Diskussion um die Zuverdienstgrenze nur ein Ablenkungsmanöver. „Es geht offensichtlich darum, einen Billiglohnsektor aufzubauen, Arbeitslose zu zwingen, jeden Job anzunehmen. Denn, wenn kein Geld mehr da ist, nimmt man jeden Job.“
Sinnvoll wäre es hingegen, gute Arbeitsbedingungen zu schaffen und den Menschen Einkommen zu zahlen, von denen sie leben können. Dann müssten auch keine Scheinargumente gegen einen lebensnotwendigen Zuverdienst gefunden werden, damit man Arbeitslose in Jobs drängt, die sonst niemand machen möchte.
Höheres Arbeitslosengeld
Selbstbestimmtes Leben muss aber auch möglich sein, wenn man seinen Job einmal verloren hat. Zweck des Arbeitslosengeldes und der Notstandshilfe ist es, Armut während der Arbeitslosigkeit zu vermeiden. Das gelingt in Österreich nicht ausreichend, wie auch Karin Heitzmann von der WU Wien mit Evidenz aus der Armutsforschung belegt. Je länger die Arbeitslosigkeit dauert, desto höher wird das individuelle Armutsrisiko.
Der ÖGB fordert seit langem eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent vom letzten Nettoeinkommen. Denn das schützt Arbeitssuchende vor Armut und würde eins zu eins wieder zurück in den Wirtschaftskreislauf fließen und so auch das Hochfahren der Wirtschaft unterstützen. Das ist die einzig nachhaltige Lösung und deshalb bleiben wir auch dabei“, unterstreicht ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian.