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Frau liest entspannt ein Buch
Gleiches Geld für weniger Arbeit! Immer mehr Firmen punkten bei ihren Beschäftigten mit Arbeitszeitverkürzung Maria Vitkovska – stock.adobe.com

Weniger arbeiten, mehr vom Leben

So geht Arbeitszeitverkürzung

Gleiches Geld, weniger Arbeit? Ja, das geht! Wir zeigen die besten Beispiele aus ganz Österreich

Acht Stunden am Tag, fünf Tage Woche –die typische Arbeitswoche ist für viele Beschäftigte längst ein Auslaufmodell: Immer mehr Menschen wünschen sich mehr Freizeit und weniger Zeit im Job.  

Der Wunsch verhallt nicht ungehört – mehr und mehr Firmen entscheiden sich dafür, die Arbeitszeiten zu verkürzen, ohne dabei die Einkommen der Menschen anzurühren. Also: Weniger Arbeit bei gleichem Lohn oder Gehalt. 

Wir haben mit Unternehmen darüber gesprochen, warum sie kürzere Arbeitswochen eingeführt haben und wie die Beschäftigten reagieren. 

Arbeitszeitverkürzung bei uns einzuführen, war nicht nur eine gute Idee, sondern das war eine geile Idee.

Jubin Honarfar, Geschäftsführer whatchado

Unternehmen von kürzeren Arbeitswochen begeistert

Eine Vier-Tage-Woche, 32 Stunden Arbeit und das bei vollem Gehalt – das ist das Erfolgsrezept der Jobvideo-Plattform „whatchado”, erzählt Geschäftsführer Jubin Honarfar: „Das Unternehmen Freitag, Samstag und Sonntag zuzusperren, war nicht nur eine gute Idee, sondern das war eine geile Idee. Wir hatten den Mut zur Veränderung und haben das durchgezogen.“ 

Mehr Freizeit, gleiches Geld 

Den Wunsch der MitarbeiterInnen gehört und dann umgesetzt hat auch das Recruitingunternehmen epunkt. „Wir haben unsere MitarbeiterInnen befragt, was einen Job für sie attraktiv macht und da lag ‚Mehr Freizeit‘ deutlich vor dem Wunsch nach mehr Geld“, erzählt epunkt-CEO Daniel Marwan. Derzeit arbeiten die Beschäftigten 34 Stunden pro Woche, bezahlt werden sie aber für 40.

Antwort auf Fachkräftebedarf

Gerade jetzt, wo viele Unternehmen händeringend nach Fachkräften suchen, werden sich kürzere Arbeitswochen bei gleichem Einkommen als regelrechter Magnet herausstellen, ist Hotelier Bernd Hinteregger überzeugt: „Arbeiten im Hotel- und Gastgewerbe wird dadurch gerade für junge Menschen wieder attraktiver!“ 

Das sieht auch Miriam Walch, Kommunikationsleiterin der Firma "Hektar Nektar" so: „Die Vier-Tage-Woche bei uns zieht natürlich auch als Benefit, wenn wir in Ausschreibungen neue Leute suchen.“ Das Team des digitalen Marktplatzes für Honig arbeitet 32 Stunden, wird aber für 40 bezahlt.

Alle Unternehmen berichten, dass die Arbeitsleistung bzw. die Produktivität nicht gesunken ist. Die Beschäftigten arbeiten aber sehr wohl viel konzentrierter, effizienter und Strukturen wurden gestrafft – etwa durch kürzere Meetings. 

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Weniger arbeiten – das sagen die Beschäftigten dazu

Die Chefetagen dieser Unternehmen bereuen ihre Entscheidungen, die Arbeitswochen zu verkürzen, nicht – und was sagen die Betroffenen selbst dazu? Sie spenden alle durch die Bank Applaus!

Harald Denk, Teamlead Recruiting, von epunkt erzählt, dass „es einfach cool ist, dass ich als Papa von Zwillingsbuben im Alter von 3,5 Jahren mehr Zeit mit ihnen und meiner Frau verbringen kann!“ Ins Schwärmen kommt auch seine Kollegin Linda Fehrmann: „Freizeit bedeutet für mich Freiheit. Ich habe viel mehr Zeit, einfach das zu tun, was ich wirklich möchte und das ohne Stress.”  

Vincent Amadeus Christa, Head of Marketing bei whatchado, ist happy, dass er „einfach mehr Zeit zur Verfügung hat. Ich komme ursprünglich aus Bayern und kann jetzt leichter zu Familie und FreundInnen fahren und mehr mit ihnen unternehmen“.

Die Verkürzung der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich ist die Zukunft. 

Martin Müller, ÖGB-Arbeitsrechtsexperte

Zukunft der Arbeitswelt 

Das sind nur vier Beispiele von Firmen, die in eine neue Ära der Arbeitswelt gestartet sind.

Die Zufriedenheit bei den Firmen aber auch bei den betroffenen Beschäftigten überrascht ÖGB-Arbeitsrechtsexperten Martin Müller nicht: „Die Verkürzung der Arbeitszeit bei vollem Einkommensausgleich ist die Zukunft. Gerade junge ArbeitnehmerInnen fordern seit Jahren eine gute Work-Life-Balance. Aus vielen Studien und Beispielen aus der Arbeitswelt wissen wir, dass verkürzte Wochenarbeitszeiten eine deutliche Entlastung für die einzelnen ArbeitnehmerInnen, Familien und die Gesellschaft insgesamt bringen.“ 

Stillstand seit 50 Jahren 

Die letzte allgemeine Arbeitszeitverkürzung in Österreich hat es vor 50 Jahren gegeben. Von 1970 bis 1975 wurde die Arbeitszeit schrittweise von 45 auf 40 Wochenstunden verkürzt. Forderungen nach einer weiteren Reduktion der Arbeitszeit werden derzeit von den Arbeitgebern am häufigsten mit folgendem Gegenargument vom Tisch gewischt: Würden wir weniger arbeiten, hätten das negative Folgen auf den Wohlstand. 

Stimmt nicht, sagen Expertinnen und Experten: Eine Verkürzung der Vollzeit-Arbeitszeit kann funktionieren, ohne dass insgesamt weniger gearbeitet wird.  

Ein Beispiel: Wenn Vollzeitbeschäftigte nur noch 35 Stunden pro Woche arbeiten und gleichzeitig Teilzeitbeschäftigte, die mehr arbeiten wollen, auf 35 Stunden pro Woche aufgestockt werden, würde sich die Gesamtarbeitszeit im Jahr kaum verändern. Es gäbe sogar einen kleinen Anstieg der Arbeitsstunden – von 5,66 Milliarden auf etwa 5,68 Milliarden Stunden pro Jahr.

 

 

 

Wir haben in unserem ÖGB-Podcast auch über das Thema "Arbeitszeitverkürzung" gesprochen - du kannst die Folge "Genug geschuftet" auf allen Podcast-Plattformen oder HIER hören.