Gesundheit und Krankheit am Arbeitsplatz
Schlachthöfe: Österreich ist nicht Deutschland
ArbeitnehmerInnen in Schlachthöfen sind aufgrund der Arbeitsorganisation erhöhtem Infektionsrisiko ausgesetzt
Nach dem Tönnies-Skandal in Deutschland (oegb.at hat berichtet) wurden nun Anfang Juli auch die ersten Corona-Fälle in österreichischen Schlachthöfen bekannt. Zehn Covid-19-Infektionen sind bei fleischverarbeitenden Betrieben in Oberösterreich aufgetreten. Laut einem Bericht der APA sind die Infektionsketten mittlerweile aber allesamt ausgeforscht. Es komme zu keinen weiteren Fällen mehr, bekräftigen die betroffenen Unternehmen. Sie betonten auch ihre hohe Bereitschaft zu testen und die strengen Hygienemaßnahmen.
Kaltfeuchtes Klima begünstigt Ausbreitung des Corona-Virus
Trotzdem: ArbeiterInnen in Schlachthöfen sind grundsätzlich einem höheren Infektionsrisiko ausgesetzt. Denn im kaltfeuchten Klima fühlt sich das Corona-Virus geradezu pudelwohl. Hinzu kommen die Arbeitsbedingungen: teilweise enger Kontakt zu KollegInnen sowie Maschinen, die lautes Reden notwendig machen und damit Tröpfcheninfektionen begünstigen.
Gibt es keinen Betriebsrat, sollte das Arbeitsinspektorat verstärkt kontrollieren.
Zur Eindämmung des Virus sind bei solchen Arbeitsbedingungen strenge Hygienemaßnahmen und Sicherheitsvorkehrungen einzuhalten. Gibt es keinen Betriebsrat, sollte das Arbeitsinspektorat verstärkt kontrollieren, heißt es in der zuständigen Gewerkschaft PRO-GE Oberösterreich.
Wirklich vergleichen könne man die Situation in Österreich mit Deutschland aber nicht, versichern Gesundheitsminister Anschober und Landwirtschaftsministerin Köstinger. So hätte ein durchschnittlicher Schlachthof in Österreich 400 MitarbeiterInnen, im Nachbarland seien dies 8.000. Während die Schlachtkapazitäten in Deutschland bei maximal 33.000 Schweinen täglich liegt, würde diese in Österreich bei rund 2.000 Tieren liegen.
Je größer der Betrieb, desto größer die Anzahl der LeiharbeiterInnen
In den größten Betrieben Österreichs arbeiten 600 MitarbeiterInnen, bis zu 80 Prozent kommen aus Osteuropa, sagt Johann Schlederer von der Schweinebörse im Mittagsjournal auf Ö1. Die meisten seien angestellt, je größer der Betrieb, desto mehr LeiharbeiterInnen seien üblich. Im Unterschied zu Deutschland, wo Beschäftigte von Subsubfirmen im Ausland gemeldet sind, sind hier alle in Österreich angestellt.
Auch der Gewerkschafter und Branchenexperte Erwin Kinslechner (PRO-GE) wirft Österreichs Fleischindustrie nicht mit der deutschen in einen Topf. Trotzdem sei hierzulande nicht alles heile Welt. Die Anzahl der LeiharbeiterInnen sei in jüngster Vergangenheit wieder stark im Zunehmen. In manchen Unternehmen liegt sie sogar bei 90 Prozent.
In der Fleischindustrie ist nicht alles heile Welt
Viele ArbeiterInnen würden auch zu wenig verdienen, erzählte Kinslechner dem “Standard” bereits Ende Mai. Viele Arbeiter verdienten monatlich nur 1.200 Euro netto, abzüglich des Quartiers würden sie mit gerade einmal 900 Euro heimfahren. „Wer sich wehrt, riskiert seinen Job." Das gelte häufig auch für jene, die versuchten, einen Betriebsrat zu gründen. Aber wo kein Kläger, sei auch kein Richter.
Es braucht hier einfach mehr Kontrollen.
Und immer wieder kommen auch menschenunwürdige Unterkünfte ans Tageslicht, erzählt Kinslechner. Bekannt ist ein Fall in der Steiermark, wo auf 15 Quadratmetern sechs Arbeiter wohnten. Für die als „Bett“ zur Verfügung stehenden Matratzen mussten sie je 100 Euro bezahlen. „Da geht es lange nicht mehr nur um schwarze Schafe, sondern um ein System, das man nicht in den Griff bekommt.“