Gewalt ist ein gesellschaftliches Phänomen. Besonders betroffen sind SpitalsmitarbeiterInnen.
Gesundheit und Krankheit am Arbeitsplatz
Wiener Spitäler: 85% des Personals Opfer von Gewalt
KAV hat MitarbeiterInnen befragt - verbale Attacken kommen am häufigsten vor
Immer wieder kommt es im Spital zu Gewalt und Aggressionen. 85,4 Prozent der MitarbeiterInnen im Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) haben in ihrem Berufsleben bereits Gewalterfahrungen gemacht. Das geht aus einer aktuellen Umfrage hervor, die der KAV durchgeführt hat. Die Übergriffe reichen von Beschimpfungen bis hin zu körperlichen Angriffen.
30.000 MitarbeiterInnen wurden befragt
Für die Umfrage wurden rund 30.000 MitarbeiterInnen befragt. „Uns war es wichtig, dass an der Umfrage nicht nur die patientennahen Gruppen teilnehmen, sondern auch MitarbeiterInnen am Schalter, Reinigungskräfte und Portiere. Denn sie sind genauso mit Emotionen konfrontiert und stoßen auf Aggression und Gewalt“, erklärt Personalvertreter Edgar Martin. Rund ein Viertel der MitarbeiterInnen hat an der Umfrage teilgenommen. Finanziert wurde diese von der KAV-Personalvertretung.
Von den Befragten, die bereits Aggressionserfahrungen gemacht haben, mussten 61,6 Prozent solche auch in den vergangenen zwölf Monaten erleben. Der Großteil war mit Beschimpfungen konfrontiert. Dass verbale Entgleisungen am häufigsten vorkommen, bestätigt auch Sabine Chyska, Pflegeleiterin der Station für Erwachsene ab 55 Jahren in der Akutpsychiatrie des Spitals Rudolfstiftung, in einem Gespräch mit oegb.at. Die Ergebnisse der Umfrage zeigen aber auch, dass rund die Hälfte der Beschäftigten auch bedroht und eingeschüchtert bzw. tatsächlich tätlich angegriffen wurde – also etwa geschlagen oder gestoßen. Problematische Bereiche sind etwa die Notfallambulanzen oder die Psychiatrie.
Von wem Gewalt ausgeht?
Frauen sind laut der Umfrage im selben Ausmaß von Gewalt betroffen wie Männer. Vor allem jene Beschäftigen, die sehr viel Kontakt zu PatientInnen haben, sind häufig mit Aggression konfrontiert, wobei diese oft auch von Angehörigen ausgeht. „Oft sind die Angehörigen überfordert und können die Situation nicht verstehen“, erzählt Chyska aus dem Arbeitsalltag. Acht Prozent der Befragten fühlten sich aber auch von KollegInnen angegriffen, vier Prozent von den jeweiligen Vorgesetzten.
Ursachen für Gewalt
„Menschen in Krisensituationen sind oft sehr emotional oder auch verunsichert, etwa wenn sie noch keine Diagnose haben oder nicht wissen, wie es weitergeht“, erklärt Sabine Hahn vom Department Gesundheit an der FH Bern bei der Präsentation der Umfrageergebnisse. Solche Situationen sind für die Betroffenen sehr belastend und eine große Herausforderung, weiß auch Gewaltpräventionsexperte Harald Stefan. Im Gespräch mit oegb.at ergänzt er aber, dass das in weiterer Folge auch für das Personal sehr belastend sein kann.
Reduziert werden könnten solche Situationen laut Stefan etwa dadurch, dass man die Wartebereiche freundlicher gestaltet und MitarbeiterInnen in Konfliktmanagement und Gesprächskultur schult. Und hier ist Wien auf einem guten Weg. „In Deeskalationsschulungen lernen unsere MitarbeiterInnen, wie sie Konfliktsituationen am besten lösen können und dabei niemand verletzt wird“, so der Gewaltpräventionsexperte. Außerdem geht es bei den Schulungen auch darum, das Phänomen Gewalt zu begreifen und sich damit auseinander zu setzen. „Denn erst dann, wenn man versteht, woher die Aggression kommt, kann man präventiv handeln.“
Wie geht es weiter?
Anlass für die Umfrage war eine Messerattacke im Kaiser-Josef-Spital. Man sei nach diesem Vorfall nicht zur Tagesordnung übergegangen, sagt KAV-Generaldirektorin Evelyn Kölldorfer. Stattdessen wolle man das Thema offen ansprechen. Konkrete Maßnahmen sollen erst Anfang kommenden Jahres erörtert werden – wenn auch die Ergebnisse der Sicherheitsüberprüfungen in den städtischen Spitälern vorliegen. Diese wurden nach dem Messerattentag in die Wege geleitet. In deren Rahmen wird auch die räumliche Situation in den Häusern unter die Lupe genommen.