Eure Betriebsräte
KUK-Zentralbetriebsrat: „Wir brauchen dringend Maßnahmen, die sofort wirken!“
Das Kepler Universitätsklinikum ist am Limit – sagt der Betriebsrat. Aufgrund des Arbeitsdrucks und Personalmangels drohe ein Verlust vieler Bereiche auf lange Zeit.
Anfang der 1990er fing der gebürtige Bosnier Branko Novakovic (59) als diplomierter Krankenpfleger an. Inzwischen ist er Zentralbetriebsrat am Kepler Universitätsklinikum (KUK) und sorgt dafür, dass die Interessen und Ansprüche der mehr als 7.000 Beschäftigten nicht unter die Räder kommen. Denn sie sind es, die tagtäglich Unglaubliches leisten, um alle Patientinnen und Patienten rund um die Uhr zu versorgen. Gerade in der Corona-Pandemie wurde für Pfleger:innen und Ärztinnen bzw. Ärzte viel geklatscht. Zwar sei allen bewusst, dass der Gesundheitsbereich dringend zusätzliche finanzielle Mittel braucht, aber von der Solidarität ist nicht viel übriggeblieben, meint Novakovic. Denn so dramatisch wie heute sei die Lage im gesamten Gesundheits- und Sozialwesen in Österreich nie gewesen. Gleichzeitig vermisst er die Bereitschaft der Verantwortlichen, große Reformen anzugehen, um der Misere im Gesundheitssystem ein Ende zu setzen. Im Interview erzählt Novakovic, wie es dem Personal im KUK geht und was sich dringend ändern muss.
Gesperrte Spitalsbetten, überarbeitete Mitarbeiter:innen und Patientinnen bzw. Patienten, die sich im Stich gelassen fühlen – fast täglich sorgen diese Schlagzeiten aus den heimischen Krankenhäusern für Empörung. Wie sieht die Lage am KUK aus?
Branko Novakovic: Die Situation im gesamten Gesundheitswesen ist dramatisch. Uns am KUK trifft es besonders hart. Denn zusätzlich zum gravierenden Personalmangel und den Belastungen aufgrund der Corona-Pandemie haben wir auch noch mit Problemen, die durch die Zusammenführung dreier Krankenhäuser zum KUK entstanden sind, zu kämpfen. Das macht die Situation nicht leichter – ganz im Gegenteil.
Von welchen konkreten Problemen sprichst du?
Novakovic: Problematisch ist, dass es für die Mitarbeiter:innen oft unterschiedliche dienstrechtliche Regelungen gibt. Zum Beispiel bei der Pausenregelung, den Überstunden oder der Rufbereitschaft. Dass diese Probleme sieben Jahre nach Gründung des KUK noch immer nicht gelöst sind, stößt bei den Beschäftigten sauer auf.
Kannst du uns auch von Positivbeispielen berichten?
Novakovic: Erst kürzlich konnten wir Verbesserungen in den Verhandlungen durchzusetzen. Die Ergebnisse sind teilweise schon da, einige werden im Juni erwartet. Ein großer Durchbruch ist uns etwa in der Kinderbetreuung gelungen: Am Standort Med-Campus soll in etwa 2,5 Jahren eine Betreuungseinrichtung eröffnen.
Noch einmal zurück zu den Problemen in heimischen Spitälern. Wie geht es den Ärztinnen bzw. Ärzten und Pflegekräften, die noch am KUK sind?
Novakovic: Eine Entlastung ist längst überfällig. Wir sind in vielen Bereichen so nahe am „Point of no Return“, dass ich befürchten muss, diese Bereiche zu verlieren und sie auf längere Zeit gesperrt werden. Wir brauchen dringend Maßnahmen, die sofort wirken.
Welche wären das?
Novakovic: In einem ersten Schritt muss die Entlohnung so weit angehoben werden, damit wir in diesem so wichtigen Segment attraktiver werden als andere Branchen. Dadurch wäre es uns möglich, neue zusätzliche Arbeitskräfte zu gewinnen und den Personalstand zu erhöhen. In einem zweiten Schritt muss die Arbeitszeit in Richtung 35-Stunden-Woche verkürzt werden. Erst dann wird es zu einer Stabilisierung im System kommen.
Heißt das, dass Geld das dringendste Problem ist und jetzt sofort angegangen werden soll?
Novakovic: Geld allein löst das Problem nicht. Derzeit ist viel zu viel Arbeit auf zu wenig Personal aufgeteilt. Und das muss sich rasch ändern. Höhere Einkommen sind nur ein Teil der Lösung. Um die Beschäftigten zu entlasten und die Arbeit für neues Personal schmackhaft zu machen, braucht es außerdem kürzere Arbeitszeiten, zusätzliche Urlaubstage und mehr Planungssicherheit.
Was der ÖGB will
- Endlich bessere Arbeitsbedingungen für das gesamte Gesundheits- und Pflegepersonal.
- Eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich und bessere Bezahlung.
- Das Ziel muss sein, den Pflegeberuf attraktiv zu gestalten.
Wie reagiert die KUK-Leitung auf die aktuelle Situation? Wurden Maßnahmen gesetzt, um die verbliebenen Mitarbeiter:innen zu entlasten?
Novakovic: Was die Entlohnung betrifft, wurde einiges gemacht – Stichwort Pflegepaket 1 und 2, Gehaltspaket für Handwerkliche Berufe und zwei Ärztepakete. Aber wenn man bedenkt, dass wir in Oberösterreich davor die schlechteste Entlohnung in ganz Österreich hatten, kann ich nur sagen: Das reicht noch lange nicht aus. Auch die Dauersperre von zirka 200 Betten ist zu wenig, um das Personal spürbar zu entlasten.
Fühlen sich die Beschäftigten insgesamt in ihrer Arbeit wertgeschätzt?
Novakovic: An wertschätzenden Worten fehlt es nicht. Die Taten, die hinter diesen Worten stehen, fehlen.
Hast du das Gefühl, dass den verantwortlichen Politikerinnen bzw. Politikern der Ernst der Lage bewusst ist?
Novakovic: Das denke ich schon. Es vergeht mittlerweile kein einziger Tag ohne Horrorbilder oder Horrorgeschichten aus den heimischen Krankenhäusern. Und dass, obwohl sich viele Beschäftigte aus Angst, wegen ihrer Arbeitsbelastung oder wohl aus Resignation, nicht an die Öffentlichkeit gewandt haben.
Anders sieht es mit der Bereitschaft aus, große Reformen anzugehen. Derzeit sehe ich keine Anzeichen eines nationalen sozialpartnerschaftlichen Schulterschlusses, welcher aus meiner Sicht erforderlich ist, um der Misere im Gesundheits- und Sozialsystem ein Ende zu setzen.
Dein Plan war es nicht, Betriebsrat zu werden. Nun bist du Ohr und Sprachrohr von Tausenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Wie findest du einen Ausgleich zum stressigen Arbeitsalltag?
Novakovic: Ich spiele regelmäßig Volleyball und lese sehr gerne. Mit meiner Frau schaue ich gerne ab und zu Krimis im Fernsehen oder gehe spazieren.
Betriebsratswahl im Med Campus
Vom 10. bis 15. Mai wählen 7.000 Mitarbeiter:innen des Kepler Universitätsklinikum einen neuen Betriebsrat. Branko Novakovic ist Zentralbetriebsrat und er wünscht sich eine hohe Wahlbeteiligung und hofft auf deutliche Zugewinne für seiner Liste: „Meine Kolleginnen und Kollegen und ich brauchen eine starke Legitimation, um auch in Zukunft die notwendigen Verbesserungen bei der Entlohnung und den Arbeitsbedingungen durchsetzen zu können.“