Hilfe und Unterstützung
Barrierefreiheit geht uns alle an - früher oder später
Menschen mit Behinderung stehen in der Arbeitswelt vor großen Herausforderungen. Zwei Betroffene sprechen über ihre Rückschlage, aber auch über positive Erlebnisse
James Joseph John bezeichnet sich als „Maschinenfreak“ – seit seiner Kindheit faszinieren ihn Maschinen und Computer.
Für ihn war klar, dass er auch im Berufsleben damit zu tun haben will. Seine Ausbildung zum Konstrukteur mit Schwerpunkt Maschinenbau schloss der heute 23-Jährige vor zwei Jahren ab und warf sich voller Elan in die Jobsuche. Was ihn von den meisten BewerberInnen unterscheidet, ist, dass James ein Umfeld braucht, das barrierefrei ist: „Und ich brauche wohl mehr Platz an meinem tatsächlichen Arbeitsplatz als die meisten anderen.“
Den Extra-Platz braucht James für seinen Rollator. Er hat eine cerebrale Bewegungsstörung und ohne den Rollator kann er sich nicht fortbewegen. „Mein größter Wunsch ist es, dass technische Berufe für Menschen mit körperlichen Einschränkungen leichter zu erreichen sind. Ich könnte Geräte planen, die ein barrierefreies Arbeiten ermöglichen!“ Noch hat ihm aber niemand diese Chance gegeben.
Ich werde auch weiterhin viel Kraft und Zeit in die Jobsuche investieren. Ich muss das 2023 schaffen.
Ich will mich mit Firmen an einen Tisch setzen und ihnen klarmachen, dass Barrierefreiheit uns alle früher oder später angeht.
150 Bewerbungen und nur zwei Gespräche
Rund 150 Bewerbungen schreibt James in den zwei Jahren auf Jobsuche. Nur zwei Firmen laden ihn zu Vorstellungsgesprächen ein, der Rest sagt ab oder meldet sich erst gar nicht. „Ich werde auch weiterhin viel Kraft und Zeit in die Suche investieren. Ich muss das 2023 schaffen. Ich habe so viele Ideen, die ich umsetzen möchte!“
Nachvollziehen kann es James nicht, dass es bisher nur Absagen für ihn gehagelt hat: „Ich bin mir sicher, wenn sie mich persönlich kennengelernt hätten, würde vieles anders aussehen. Ich will mich mit Firmen an einen Tisch setzen und ihnen klarmachen, dass Barrierefreiheit uns alle früher oder später angeht.“
James ist eine Kämpfernatur – aufgeben ist keine Option. Tatkräftige Unterstützung bekommt er auch vom Chancen Nutzen Büro im ÖGB: „Es ist ein wahrer Segen. Sie durchforsten etwa für mich ihr großes Netzwerk, ob sie Kontakt zu Firmen herstellen können, die auf Maschinenbau spezialisiert sind.“
„Wir versuchen alles, um zu helfen. Wenn wir das nicht können, dann finden wir Verbündete, die das können!“, verspricht der Leiter des Chancen Nutzen Büros Patrick Berger. Sein Ziel ist es, die Beschäftigungssituation von ArbeitnehmerInnen zu verbessern. Im Fokus stehen ältere Personen, Menschen mit Behinderungen, chronisch Erkrankte, aber auch Menschen mit psychischen Problemen (siehe Kasten unten).
Barrierefreiheit als Schlüssel für Fachkräfte
Emotional wird James, wenn er über Firmen spricht, die nicht barrierefrei sind. „Das ist eigentlich ein Armutszeugnis. Ich könnte daraus ein Reichtumszeugnis machen und aktiv mithelfen, Barrierefreiheit umzusetzen, wenn die Firmen überleben wollen.“ Unternehmen, die Menschen mit Behinderung durch bauliche Hürden abhalten, bei ihnen zu arbeiten, schneiden sich ins eigene Fleisch, ist James überzeugt: „Wertvolle MitarbeiterInnen können nicht kommen. Das ist mentale Kurzsichtigkeit der Firmen.“
Das unterschreibt auch Patrick Berger: „Jeder zweite Mensch mit Behinderung in Österreich ist derzeit auf Jobsuche! Gerade in Zeiten, wo viele Betriebe händeringend MitarbeiterInnen suchen, ist jedes nicht ausgeschöpfte Potenzial eine verlorene und vergebene Chance. Um das zu verhindern, braucht es aber die passenden Rahmenbedingungen, und hier ist die Politik gefordert.“
Hilfe, wenn das Schicksal zuschlägt
Während James noch um den optimalen Einstieg in die Arbeitswelt kämpft, ist Hannelore Puchinger bereits in Pension.
Der Weg in den Ruhestand war für die 62-Jährige jedoch steinig und gepflastert von privaten Schicksalsschlägen. „Ohne die Hilfe des Chancen Nutzen Büros hätte es finster für mich ausgesehen“, erzählt sie bei unserem Treffen im Beratungszimmer des ÖGB-Teams.
Fast 20 Jahre ist Hannelore Reinigungskraft bei einer NGO in Wien. Das Drama beginnt im Jahr 2019, knapp nach dem plötzlichen Tod ihres Ehemannes, mit dem sie drei Kinder hat.
Ihre Firma will alle Reinigungskräfte auf einen schlechteren Kollektivvertrag umstellen. „Wer nicht zustimmt, der fliegt“, lautet die Parole, berichtet uns Claudia Orthofer – sie ist Beraterin im Chancen Nutzen Büro und hat Hannelores Fall von Beginn an betreut.
„Ich war natürlich alarmiert, weil ich ja nicht mehr lang bis zur Pension hatte“, erinnert sich Hannelore. Rasche Hilfe und rasche Lösungen müssen her. Beides kann das Chancen Nutzen Büro bieten. Aufgrund mehrerer Operationen im Bereich der Lendenwirbelsäule wird für Hannelore ein Antrag auf Behindertenstatus gestellt. Dieser wird zuerkannt, für einen erhöhten Kündigungsschutz reicht der Grad der Behinderung aber nicht aus.
Dennoch stellt dieser Schritt wichtige Weichen, um eine Kündigung zu verhindern.
Gesund werden, mit dem ÖGB an der Seite
Nicht nur das Chancen Nutzen Büro, sondern „auch mein Betriebsrat hat sich voll hineingekniet, um zu helfen“, sagt Hannelore. Wenig später bekommt sie nach einem Arztbesuch die niederschmetternde Diagnose Lungenkrebs. Mit dieser Diagnose tritt jetzt der erhöhte Kündigungsschutz ein. Operationen, Reha und ein einjähriger Krankenstand folgen.
Es war ein „Riesenberg an Problemen und man weiß gar nicht, wo man zuerst anpacken soll“, erzählt sie. Mit Rat und Tat zur Seite steht aber stets das Chancen Nutzen Büro. „Es war wichtig, sicherzustellen, dass ihr Arbeitsplatz nicht in Gefahr ist. Die Heilungschancen steigen, wenn die Angst vor dem Arbeitsplatzverlust abgewendet wird“, sagt Claudia.
2021 ist es dann schließlich so weit: Hannelore kann ihre Pension antreten. Noch heute hört man ihr die Erleichterung an: „Alle haben mir sehr, sehr gut geholfen. Ich bin wirklich froh, dass ich Claudia und den ÖGB an meiner Seite hatte.“
Übrigens: Die beste Nachricht kommt am Tag des Interviews. Hannelores Ärzte bezeichnen die Krebserkrankung als stabilisiert.
Krisen können uns alle treffen – umso wichtiger ist es, dass es in Notsituationen rasch und unkompliziert gute Betreuung gibt.
Die wichtigsten Fakten zum Chancen Nutzen Büro:
- Es kann jede Person kommen, die Probleme am Arbeitsplatz hat.
- Ganz besonders im Fokus stehen ältere Personen, Menschen mit Behinderungen, chronisch Erkrankte, aber auch Menschen mit psychischen Problemen.
- Stress, Burn-out, Mobbing und Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren, oder Diskriminierung sind häufige Themen in den Beratungen, Workshops und Seminaren.
- Hilfe gibt es aber auch bei Behördengängen, Anträgen auf Reha-Geld oder ärztlichen Freistellungen.
- Das Angebot ist kostenlos.
Wenn du Hilfe oder Informationen brauchst, melde dich bei uns!
ÖGB Chancen Nutzen Büro, Johann-Böhm-Platz 1, 1020 Wien
Telefon: +43 1 534 44-39590 (Patrick Berger, Leitung)
Telefon: +43 1 534 44-39592 (Birgit Polansky, Sekretariat)
Mail: chancen.nutzen@oegb.at
Das könnte dich auch interessieren: