Zum Hauptinhalt wechseln
„Wir Erwachsene müssen gute Vorbilder sein, damit junge Mädchen sehen, was sie alles erreichen können", betont die ehemalige Profifußballerin Viktoria Schnaderbeck. ÖGB/Kasper

Gleichstellung

Viktoria Schnaderbeck: Ohne Bewusstsein keine Veränderung

Ein Blick auf den Sport und die Arbeitswelt: Von Sexismus zu Geschlechtergerechtigkeit

Vor einer noch nie da gewesenen Megakulisse spielte am 26. September das österreichische Fußballnationalteam der Frauen. 10.051 Fans waren in den Viola Park der Wiener Austria gekommen, um die Mannschaft gegen Frankreich anzufeuern. Die bisherige Bestmarke lag bei 3.600. Ein Meilenstein, über den sich Viktoria Schnaderbeck, ehemalige Profifußballerin und Teamkapitänin der österreichischen Nationalmannschaft, sehr freut. „Hier geht es um viel mehr als nur um den Sport, es geht um eine gesellschaftliche Entwicklung, um ein Umdenken“, erklärte sie bei einer Podiumsdiskussion im Vorfeld des Fußballspiels. Gerade im Sport, vor allem im Profifußball, waren Frauen bis vor kurzem beinahe unsichtbar: Wenig Publikum, zu wenige, die sie als Fußballspielerinnen ernst genommen haben, viel Diskriminierung. „10.000 Zuseher:innen sind ein Wahnsinn. Ein Moment, den auch viele im Verband nicht für möglich gehalten haben“, ist Schnaderbeck ehrlich.

Wir müssen Frauen sichtbar machen, ihnen eine Bühne geben, um Vorbilder für junge Mädchen zu kreieren!

Viktoria Schnaderbeck, ehemalige Profifußballerin

Sie selbst hat erst mit 12 Jahren erfahren, dass ein Frauennationalteam im Fußball existiert. „Als ich mit dem Spielen anfing, gab es keine Mädchenmannschaft, keine Medienberichte über Frauenfußball und keine weiblichen Vorbilder“, erzählt sie. Außerdem habe sie in ihrer Karriere oft vor einem kleinen Publikum gespielt, und dabei hätten viele eher zugeschaut, „weil du eine Frau bist und nicht, weil du Fußball spielst“. In der Zwischenzeit hat sich vieles zum Besseren gewendet, dennoch gibt es noch viele Themen, mit denen sich der Fußball beschäftigen muss, wenn es um Frauen geht. Für Schnaderbeck ist das Sichtbarmachen von Frauen ein wesentlicher Punkt: „Wir müssen Frauen sichtbar machen, ihnen eine Bühne geben und Vorbilder kreieren, damit junge Mädchen sehen, was alles möglich ist und was sie erreichen können.“

Macht, Geld, Sexismus

Den jüngsten, und vielleicht sogar den größten, Skandal im Frauenfußball hat erst kürzlich (wieder einmal) ein Mann verursacht. Der inzwischen zurückgetretene spanische Verbandsboss Luis Rubiales hatte die Weltmeisterin Jennifer Hermoso nach dem Titelgewinn auf den Mund geküsst. „Fußball ist ein Kontaktsport, aber es gibt klare Grenzen“, betont Schnaderbeck und fügt hinzu, dass dieses Thema sowie viele andere Ungerechtigkeiten und Probleme nicht nur den Sport betreffen, sondern auch alle anderen Bereiche der Arbeitswelt, in denen ungleiche Machtverhältnisse zwischen Männern und Frauen herrschen und die Grenze nicht erkennbar ist.

Wenn es zu Belästigung oder Machtmissbrauch kommt, muss es Konsequenzen geben, die klar festgelegt sind!

Viktoria Schnaderbeck, ehemalige Profifußballerin

Laut Schnaderbeck können hier einerseits die betroffenen Personen selbst etwas bewirken, indem sie sich für ihr Recht einsetzen. Andererseits können Trainer:innen, Führungskräfte, Betriebsräte und Betriebsrätinnen etwas verändern und die Betroffenen unterstützen. In erster Linie ist es wichtig, ein Problembewusstsein zu schaffen, denn „ohne dieses wird sich kein Problem lösen lassen.“ Weiters müssen Verantwortliche hinschauen, nachfragen und wirklich zuhören, denn sie glaubt, dass vieles nicht „nicht gesehen“, sondern oft übersehen und manchmal sogar weggesehen wird.

„Wenn so etwas passiert, muss es Konsequenzen geben, die klar festgelegt sind“, betont Schnaderbeck. Ob im Sport oder im Betrieb, jeder Arbeitgeber müsse sich die Frage stellen, wie viele zweite Chancen es für jemanden geben soll, der seine Macht missbraucht. Zudem müsse dafür gesorgt werden, dass Mädchen und Frauen vor solchen Problemen geschützt werden und „da hat der Sport eine große Aufgabe vor sich, weil er davon weit weg ist“, sagt Schnaderbeck.

Kämpfen lohnt sich

Gerade im Fußball haben die Frauen in den vergangenen Jahren bewiesen, dass sich ein Kampf für die eigenen Rechte lohnt. „Wenn du kämpfst – auch wenn es so aussieht, als würde der Kampf nie enden wollen – irgendwann wird dir zugehört. Im Fußball haben wir das gemacht, und es passiert jetzt etwas“, sagt Schnaderbeck.

Es geht nicht darum, jemanden etwas wegzunehmen, sondern um neue und andere Sichtweisen zu bekommen!

Viktoria Schnaderbeck, ehemalige Profifußballerin

Die Ex-Profispielerin hat Recht, es passiert etwas. Mehr als 10.000 Zuseher:innen bei einem Fußballspiel des Frauennationalteams wären vor einigen Jahren noch undenkbar gewesen. Und ja, auch bei der Bezahlung gab es Bewegung. Aber nichtsdestotrotz sind es vor allem Männer, die von diesem System profitieren: Sie verdienen viel mehr und besetzen (fast) alle Chefposten, was letztendlich dazu führt, dass sie alle Entscheidungen treffen. „Ja, es wäre an der Zeit, dass sich das alles durchmischt – nicht um jemanden etwas wegzunehmen, sondern um neue und andere Sichtweisen zu bekommen“, betont Schnaderbeck.

Podiumsdiskussion "Frauen in männerdominierten Branchen"

Die Podiumsdiskussion wurde von der Bildungsabteilung der AK Wien im Vorfeld des Fußball-Länderspiels Österreich gegen Frankreich der Frauen veranstaltet. Im Anschluss an die Diskussion mit Viktoria Schnaderbeck fand ein Austausch- und Vernetzungstreffen mit den SOZAK-/BRAK-Absolvent:innen sowie Funktionär:innen der Gewerkschaftsjugend, des ÖGB und der AK statt. 

Männer für Frauen

Dass Frauen anders denken, anders arbeiten und somit auch eine Bereicherung für jede Führungsposition sein können, sollte im Jahr 2023, wenn nicht allen, dann den meisten bewusst sein. Umso trauriger, dass man hierzulande Frauen in Chefetagen wie die Nadel im Heuhaufen sucht. Wünschenswert und hilfreich wäre es, wenn sich mehr Männer mit Frauen solidarisieren und für ihre Rechte mitkämpfen. Gerade der Kuss-Skandal in Spanien hat gezeigt, wie wenige Männer, die auch Verantwortung tragen, sich zu Wort gemeldet und klar auf die Seite der Frauen gestellt haben. Und das obwohl der Aufschrei in der Öffentlichkeit riesig war.

Bleib informiert über deine Arbeitswelt!
Jeden Freitag: Das Wichtigste aus einer Woche