Gleichstellung
Von der Karenz in die Altersarmut
Drei Frauen – ein Problem: Fehlende leistbare Kinderbetreuung ist die Hauptursache für Gehaltsunterschiede bei den Geschlechtern. Der Equal Pay Day am 31. Oktober macht auf Armutsfallen aufmerksam, für die es Lösungen gäbe. Zum Beispiel eine Arbeitszeitverkürzung.
Wenn in der Früh der Wecker läutet, dann sind Silvias drei Kinder – acht, sechs und zwei Jahre alt – meist schon munter. Ihr Mann ist bereits auf dem Weg zur Arbeit, denn er muss um 5 Uhr den Zug erwischen. Und ihr Arbeitstag beginnt von null auf hundert – langsam in den Tag zu starten, kennt die 39-jährige Grazerin schon lange nicht mehr. Mit drei Kindern ist immer etwas zu tun. Ihr eigenes Geld möchte Silvia, die im Behindertenbereich arbeitet, aber trotzdem verdienen. Denn ihr ist bewusst, „man wird älter, geht irgendwann in Pension und denkt darüber nach, ob man sich das Leben dann noch leisten können wird“.
So wie Silvia geht es Frauen in vielen Familien. In der Regel übernehmen sie den Großteil der Kinderbetreuung und der Hausarbeit. Nicht nur aus einem konservativen Rollenverständnis heraus, sondern auch, weil Männer das bessere Einkommen haben. „Ab Jänner arbeite ich 20 Stunden. Viel mehr oder gar Vollzeit geht nicht“, sagt Silvia: „Wir teilen uns zwar alles so gut es geht auf, aber bei meinem Mann ist Teilzeit nicht möglich. Es ist auch eine wirtschaftliche Überlegung, weil er einfach mehr verdient.“
Männer verdienen mehr und pflegen weniger
Auf die Tatsache, dass Männer in Österreich im Jahr 2023 noch immer um 16,9 Prozent mehr verdienen als Frauen, macht der Equal Pay Day am 31. Oktober aufmerksam. Ab diesem Tag haben Männer bereits jenes Einkommen erreicht, für welches Frauen noch bis Jahresende arbeiten müssen. Im Vergleich zum Jahr davor hat sich dieser Tag nur um einen einzigen Tag nach hinten verschoben.
Frauen verdienen auch deshalb weniger als Männer, weil sie viel öfter Teilzeit arbeiten (müssen). Meist sind sie es, die neben dem Haushalt die unbezahlte Care-Arbeit wie Kindererziehung und Pflege von Angehörigen übernehmen. Diese Care-Arbeit ist Arbeit, „die viel kosten würde, würde sie wie normale Jobs bezahlt werden – und nicht unbezahlt und wie selbstverständlich von Frauen übernommen“, ärgert sich Silvia. Sie fordert: „Unbezahlte Arbeit, diese unsichtbare Care-Arbeit, muss etwas wert sein.“
„Kinderbetreuung kann ich mir nicht leisten“
Astrid K., 48, aus Imst in Tirol, ist Alleinerzieherin eines 24-jährigen Sohns und einer 12-jährigen Tochter. Auch sie arbeitet „nur“ Teilzeit. Seit 22 Jahren ist sie Produktionsmitarbeiterin in einer Holzfirma. „Die Kinderbetreuung am Nachmittag kann ich mir nicht leisten, das ist zu teuer“, erzählt sie und beklagt die fehlende leistbare Kinderbetreuung in Tirol. „Ich arbeite zum Glück in einem Zweischichtbetrieb. Und bei uns gibt es sogar eine ,Hausfrauenschicht‘, wo man nur am Vormittag arbeitet, damit man die Kinderbetreuung organisieren kann“, erzählt Astrid. Wenn sie an die Pension denkt, weiß die Tirolerin zwar, dass sie mehr Stunden arbeiten sollte, „aber das geht sich aktuell einfach nicht aus“. Was ihr helfen würde, wäre ein günstigeres Angebot für die Nachmittagsbetreuung. Diese kostet aktuell rund 200 Euro im Monat. Geld, das sie nicht hat, und selbst wenn sie mehr Stunden arbeiten würde, bliebe am Ende nicht mehr übrig. Ein Teufelskreis, solange Kinderbetreuung nicht flächendeckend und kostenfrei angeboten wird.
Aus denselben Gründen arbeitet auch Maside S., 38, Teilzeit in der Produktion in einer Firma in Vorarlberg. Für ihre Kinder im Alter von fünf und acht Jahren gibt es keine Betreuung am Nachmittag. Wenn die Kinder älter oder zumindest beide in der Schule sind, will sie Vollzeit arbeiten, „denn mit nur einem Einkommen kommt man nicht mehr durch“. Vor allem jetzt sei es schwierig, „wo alles teurer geworden ist. Es ist nicht mehr wie früher. Man muss genau aufpassen, wo man was kauft“, sagt Maside. Ein Problem, das auch Astrid kennt und sogar bei ihrem Kind angekommen ist: „Wenn wir einkaufen gehen, muss ich oft zu meiner Kleinen sagen: ,Tut mir leid, das können wir nicht kaufen.‘ Meine Tochter sagt selbst schon im Supermarkt bei Lebensmitteln: ‚Das ist zu teuer.‘ Das ist wirklich traurig.“
Arbeitszeitverkürzung schützt vor Armut
Eine der Lösungen für die vielen Probleme wäre, so Silvia, eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich. „Da könnte man sich alles besser einteilen und untereinander besser aufteilen. Das wäre fair“, ist sie überzeugt.
Astrid sieht das genauso: „Eine Arbeitszeitverkürzung auf zum Beispiel 32 Stunden bei vollem Lohnausgleich würde vieles erleichtern.“ Aktuell arbeitet sie 30 Stunden. „Zwei Stunden mehr arbeiten würde ich hinkriegen und dafür um einiges mehr verdienen“, ist sich die Tirolerin sicher. Das wäre gleich auf mehreren Ebenen vorteilhaft. Frauen könnten eher gleiche Einkommen wie Männer erzielen, sich vor Armut schützen, der Pay Gap könnte sich schneller schließen und Care-Arbeit gerechter aufgeteilt werden. Frauen haben es satt, unbezahlt und unterbezahlt zu arbeiten. Es ist Zeit, die Lohnschere zu schließen – und zwar schnell.