Kinderbetreuung
Österreich muss mehr Schweden werden
Vom schwedischen Modell der Kinderbetreuung kann man hierzulande einiges abschauen
Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen, ist nicht immer leicht. Davon können vor allem Mütter in Österreich ein Lied singen. Kurze Öffnungszeiten, viele Schließtage und hohe Kosten führen häufig dazu, dass viele berufstätige Frauen, vor allem in ländlichen Regionen, nur einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen können. Und in Teilzeit zu arbeiten, funktioniert häufig auch nur dann, wenn die Großeltern in der Nähe leben. Das bestätigen drei Mütter aus Oberösterreich in einem Gespräch mit oegb.at. Ganz anders sieht es in Schweden aus.
Familie und bezahlte Arbeit müssen vereinbar sein
„Job und Familie stehen in Schweden nicht im Widerspruch zueinander. Denn ein Ausgangspunkt für die schwedische Familienpolitik ist, dass es den Eltern – unabhängig vom Geschlecht – möglich sein muss, Familie und bezahlte Arbeit zu vereinbaren. Kinderbetreuung ist ab dem ersten Lebensjahr des Kindes möglich, falls notwendig kann diese aber auch früher in Anspruch genommen werden”, erzählt Joa Bergold, Expertin für Familienpolitik und Gleichstellung in der Landsorganisationen i Sverige (LO) – die größte Dachorganisation von Einzelgewerkschaften in Schweden.
Das Gesetz sieht vor, dass Kinderbetreuung in jenem Stundenumfang angeboten wird, der für die Beschäftigung der Eltern erforderlich ist.
Die meisten Kinder kämen zwischen erstem und zweitem Lebensjahr in den Kindergarten – die Wartezeit auf einen Betreuungsplatz betrage maximal vier Monate.
Kindergärten haben solange geöffnet wie nötig
Dass für berufstätige Mütter und Väter in Schweden die Vereinbarkeit von Beruf und Familie kein Problem darstellt, hat auch Gerlinde Gschwendtner hautnah miterlebt. Im Rahmen eines vierwöchigen Auslandspraktikums hatte sie die Gelegenheit, mit vielen SchwedInnen über dieses Thema zu sprechen.
Als ich erzählte, dass in meiner Gemeinde der Kindergarten spätestens um 13 Uhr schließt, sahen mich alle total unglaubwürdig an.
„Sie wollten dann prompt wissen, wie es dann einer Mutter überhaupt möglich ist, arbeiten zu gehen”, erinnert sich Gerlinde. Verwundert waren aber nicht nur ihre GesprächspartnerInnen, sondern bald darauf auch sie selbst. Denn auf ihre Frage, wie lange denn die Kindergärten in Schweden geöffnet haben, lautete die Antwort: „Solange, wie wir Betreuung brauchen.”
Mann und Frau wechseln sich beim Abholen ab
Auch wenn die Öffnungszeiten längeres Arbeiten ermöglichen, heißt das aber nicht, dass Eltern täglich Überstunden machen. Auch das war neu für Gerlinde. Bei zahlreichen Nachmittagsterminen wurde ihr vom Gegenüber – egal ob Mann oder Frau – bereits im Vorhinein verkündet, dass man nur bis 15.30 oder 16 Uhr Zeit habe, weil Kinder abgeholt werden müssten. „Eine Mutter von drei Kindern erzählte zum Beispiel, dass sie sich immer mit ihrem Mann abwechselt, und sie an dem besagten Tag für die Abholung zuständig war. Da sie Kinder in unterschiedlichem Alter hätten, seien sie auch in verschiedenen Betreuungseinrichtungen und daher dauere es etwas länger, bis alle abgeholt werden können.
Einkommensgerechtigkeit statt Altersarmut
Für sie ist es besonders wichtig, dass Frauen über die Auswirkungen von Teilzeit- oder geringfügiger Beschäftigung gut informiert sind: ”Entscheiden muss und soll jede Frau natürlich für sich selbst, aber um diese Entscheidung zu fällen, sollte man die Folgen kennen.” Eine Teilzeitbeschäftigung bedeutet nicht nur ein niedrigeres Haushaltseinkommen, sondern führt in weiterer Folge auch zu niedrigen Pensionen und damit auch zu Altersarmut, von der besonders Frauen betroffen sind.
Vergleich zu Schweden haben wir in Österreich noch einen weiten Weg vor uns – vor allem, wenn es darum geht, für gleiche Chancen am Arbeitsmarkt zu sorgen.
Doch Schweden macht nicht nur bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf einiges besser als Österreich, sondern auch bei der Einkommensgerechtigkeit: In Schweden verdienen Frauen in Vollzeitarbeit im Durchschnitt 89 Prozent des Männerlohns, in Österreich sind es hingegen nur rund 80 Prozent.