Ausbildung
Pflichtpraktikum: Billige Arbeitskräfte, fix eingeplant
Studierende im Sozialbereich müssen bis zu 2.000 Praktikumsstunden absolvieren – oft sogar unbezahlt
Seit der Corona-Krise steht der Gesundheits- und Sozialbereich immer mehr im Fokus. PolitikerInnen, PatientInnen und auch alle anderen bedanken sich lautstark beim Gesundheits- und Pflegepersonal, bei ÄrztInnen, beim Kindergartenpersonal und bei SozialarbeiterInnen für ihre Arbeit. Dass diese Dienste an der Gesellschaft wichtig sind, ist spätestens jetzt allen klar. Daher müssen auch die Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen dringend verbessert werden, mahnt die Gewerkschaftsjugend: „Um auch mehr junge Leute für diese Berufe motivieren zu können“, sagt Susanne Hofer, Vorsitzende der Österreichischen Gewerkschaftsjugend (ÖGJ).
Die Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen im Gesundheits- und Sozialbereich müssen dringend verbessert werden.
Zehntausende Studierende müssen unbezahlte Praktika machen
Jedes Jahr lassen sich tausende junge Menschen für diese sinnstiftenden Berufsfelder ausbilden. Alleine auf den Fachhochschulen sind es ca. 17.000 Studierende, dazu kommen 1.740 Studierende an den Medizinischen Universitäten und noch viele mehr. Die Studierenden und SchülerInnen müssen Pflichtpraktikumsstunden absolvieren und diese sind fast ausschließlich unbezahlt. Bis zu 2.000 Praktikumsstunden kommen so im Extremfall innerhalb der Ausbildungszeit zusammen.
Tagsüber arbeiten, am Abend studieren, im Urlaub das Praktikum absolvieren
Leokadia Grolmus, Studienvertreterin FH Campus Wien, erzählt im Interview mit dem Stadtfernsehen W24, von ihren Erfahrungen: „Bei manchen Personen kommen absurde Stundenzahlen heraus, weil sie eben ein unbezahltes Pflichtpraktikum absolvieren müssen - und einen Nebenjob, weil sie irgendwie ihre Miete bezahlen müssen.“ Dazu kommen für viele dann auch noch die Studiengebühren. Wie sich das alles ausgeht? „Ich studiere berufsbegleitend, arbeite tagsüber, studiere am Abend und in meinem Urlaub mach ich die Pflichtpraktika”, erzählt Grolmus.
Bei manchen Personen kommen absurde Stundenzahlen heraus, weil sie eben ein unbezahltes Pflichtpraktikum absolvieren müssen - und einen Nebenjob, weil sie irgendwie ihre Miete bezahlen müssen.“
950 Euro Praktikumsentschädigung
Eine geringbezahlte Ausnahme stellt das „Klinisch-Praktische Jahr” für MedizinerInnen dar – dort wird für eine 35-Stunden-Woche 650 Euro brutto im Monat bezahlt - und damit immer noch viel zu wenig. Die Studierendenvertreterin an der FH Campus Wien hat sich deshalb mit der Gewerkschaft zusammengetan - gemeinsam fordern sie 950 Euro Praktikumsentschädigung. Für eine gerechte Bezahlung und eine arbeitsrechtliche Absicherung durch die Aufnahme in Kollektivverträgen sind Gewerkschaftsjugend und StudierendenvertreterInnen am 3. Mai unter dem Motto “Praktisch Pleite” auch auf die Straße gegangen.
Studierende im Gesundheits- und Sozialbereich seien im Vergleich zu anderen Branchen besonders stark betroffen. Nur die wenigsten von ihnen erhalten für ihre Vollzeittätigkeit einen Lohn. Vor allem jetzt in der Pandemie, aber auch schon davor, übernehmen sie Aufgaben – in Krankenhäusern, in Quartieren für Obdachlose, in Pflegeheimen, in Krisenzentren für Kinder und Jugendliche –, für die die Kräfte der KollegInnen nicht mehr reichen. Neben dem fehlenden Respekt fordern sie auch eine gerechte Bezahlung.
In Dienstplänen fix eingeteilt
Gerade im Gesundheits- und Sozialbereich geht es nämlich mehr als nur um ein Hineinschnuppern, erzählt auch Grolmus: „Ohne PraktikantInnen würde es nicht gehen. Sie sind in den Dienstplänen fix eingeteilt. Klassisch ist zum Beispiel die Morgenroutine - da müssen die Pflegkräfte in alle Zimmer gehen – das würde sich mit dem normalen Personal nicht ausgehen. PraktikantInnen sind da wirklich vonnöten.“
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