ÖGJ-Vorsitzende Susanne Hofer fordert: Bessere Ausbildungsbedingungen, Lehre mit Matura und eine Fachkräftemilliarde. Foto: Christina Schön
Lehre und Ausbildung
Mit Qualität gegen Fachkräftemangel
Bessere Ausbildungsbedingungen, Lehre mit Matura und eine Fachkräftemilliarde
Die Diskussion um den Fachkräftemangel wird nicht leiser und auch die wahlwerbenden Parteien reißen sich darum, wer die besten Lösungsansätze hat. Wie sich die Österreichische Gewerkschaftsjugend (ÖGJ) die Lehrlingsausbildung vorstellt und was die Fachkräfte von morgen brauchen, erzählt ÖGJ-Vorsitzende Susanne Hofer im Interview mit oegb.at.
Was muss sich bei der Lehrlingsausbildung ändern?
Die Ausbildungsqualität kommt derzeit definitiv zu kurz. Jede schulische Ausbildung muss sich regelmäßigen Qualitätskontrollen unterziehen. Die Lehrlingsausbildung nicht. Die betriebliche Ausbildung hängt vom Engagement des einzelnen Betriebs ab. Und dieses würde sich auch für die Betriebe rentieren, denn wer in die Ausbildungsqualität investiert, hat später auch bessere Fachkräfte – im Idealfall für das eigene Unternehmen. Und das Image der Lehre würde dadurch auch steigen.
Nicht alle Betriebe, die könnten, bilden aus. Wie kann man dieses Problem lösen?
Nur cirka 20 Prozent der Betriebe, die könnten, bilden aus. Das ist viel zu wenig. Die ÖGJ hat das Modell der Fachkräftemilliarde entwickelt. Das ist ein Ausbildungsfonds, in den Firmen einzahlen, die nicht ausbilden, obwohl sie es könnten. Betriebe, die qualitativ hochwertig ausbilden, erhalten dafür Förderungen und werden finanziell unterstützt. Der Fonds soll durch ein Prozent der Jahresbruttolohnsumme von den Unternehmen finanziert werden. Das wären pro Jahr weit mehr als eine Milliarde Euro, die für die Aus- und Weiterbildung der Fachkräfte verwendet werden könnten. Das bringt allen was: Die Unternehmen würden entlastet und die Lehrstellen würden steigen.
Hat die ÖGJ konkrete Forderungen zur Verbesserung der Lehrlingsausbildung?
Wir müssen über ein Alternativmodell, das die Verantwortung der Ausbildungsbetriebe stärker im Fokus hat, und über die Etablierung eines trialen Systems nachdenken. Das bedeutet, die Lehrausbildung wird aufgeteilt auf Berufsschule, fachliches Ausbildungszentrum und den Betrieb. So können alle Ausbildungsinhalte optimal abgedeckt werden. Und wir brauchen eine qualitative Verbesserung der betrieblichen Ausbildung durch Qualitätsförderungs- und Qualitätssicherungsmaßnahmen.
Stichwort Digitalisierung: Was braucht es da?
Wir haben gemeinsam mit über 150 JugendvertrauensrätInnen ein 10 Punkte-Programm zur Weiterentwicklung und Digitalisierung der Lehrausbildung erarbeitet. Gefordert werden unter anderem der Einsatz digitaler Hilfsmittel in der Lehrausbildung, didaktische Aufbereitung von eLearning-Angeboten, Erarbeitung von Qualitätsstandards für digitale Hilfsinstrumente, Internetzugang und passende technische Ausstattung für alle Lehrlinge, Nutzung von eLearning-Tools in der Arbeitszeit sowie Angewandte Informatik und digitale Grundausbildung“ als Pflichtfach in der Berufsschule.
Was braucht es noch, damit eine Lehre wieder attraktiver wird?
Attraktivere Angebote für zukünftige Lehrlinge. Ich denke da zum Beispiel an die Lehre mit Matura, die in der Arbeitszeit absolviert werden kann. Neben der Ausbildungsqualität müssen aber auch die Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen passen. Wir sehen das ganz stark im Tourismus und in der Pflege. Höhere Bezahlung – wir fordern 850 Euro Mindestlehrlingsentschädigung im 1. Lehrjahr -, fairere Arbeitszeitmodelle und eine bessere Vereinbarkeit von Beruf, Freizeit und Familie wären auch für die Jugendlichen Anreize, sich für diese Berufe bzw. generell für Lehrberufe zu entscheiden.