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PRO-GE

Lehre und Ausbildung

Wer Fachkräfte braucht, muss ausbilden

Nachdem viele Jahre immer weniger Lehrstellen angeboten wurden, werden es jetzt wieder mehr

Viele Arbeitgeber meinen, sie würden keine geeigneten BewerberInnen finden. Es scheitere an den schulischen Leistungen und viele Jugendliche würden sich nur für die beliebten Lehrberufe im Einzelhandel oder als Mechaniker bewerben.

Susanne Hofer, Vorsitzende der Österreichischen Gewerkschaftsjugend, sieht darin reine Augenauswischerei. Sie bewertet die Lehre als das, was es ist: eine Ausbildung. 15-Jährige seien keine fertig einsetzbaren Arbeitskräfte, sondern eben am Beginn einer Ausbildung. „Ob aus diesen Rohdiamanten gute Fachkräfte werden, entscheiden die Arbeitgeber und AusbilderInnen in den Betrieben mit. Denn wer ordentlich ausbildet, hat später auch was davon“, plädiert Hofer für mehr Lehrstellenangebot und eine qualitativ hochwertige Ausbildung.

Mehr Lehrstellensuchende als freie Lehrstellen

Noch vor dem Sommer vergeben jetzt viele Unternehmen in ganz Österreich ihre Lehrstellen. Die Ausbildungen beginnen dann im September. Wer eine der Lehrstellen bekommen möchte, muss sich also schnell bewerben. Denn aktuell (Februar 2019) gibt es am Arbeitsmarkt mehr Interessierte (5.905) als freie Lehrstellen – zumindest, wenn ganz Österreich zusammengezählt wird. Vor allem in Wien sind Lehrstellen Mangelware. Auf 363 derzeit verfügbare, offene Lehrstellen kommen rund 2.200 Lehrstellensuchende.

Tirol auf der Suche nach Lehrlingen

Ein ganz anderes Bild ergibt sich, wenn man nach Tirol blickt. Dort kommen auf 677 offene Lehrstellen nur 296 Lehrstellensuchende. Gesucht werden hier vor allem KöchInnen und KellnerInnen, also Fachkräfte in der Gastronomie. Laut der Gewerkschaft vida ist das keine Überraschung. Die Arbeitsbedingungen in der Gastronomie würden seit Jahren nicht besser werden. Die Arbeitszeiten sind wenig attraktiv, die Arbeitsbelastung hoch und die Bezahlung zu niedrig. „Wir brauchen Modelle für Über-30-Jährige. Gelingt es nicht, die Schere zwischen Beruf und Freizeitplanung auch im heimischen Tourismus zu schließen, bekommen wir in Zukunft ein riesiges Problem. Es wird dann auch immer schwieriger, Beschäftigte zu finden“, warnt Berend Tusch, Vorsitzender des Fachbereichs Tourismus in der Gewerkschaft vida.

Top 3 Lehrberufe von jungen Frauen und Männern seit Jahren gleich

Eine intensive Berufsorientierung bereits in der Pflichtschule könnte viel bewirken, so Hofer. „Junge Menschen müssen in ihren Stärken und Talenten gefördert werden. Vor allem bei Mädchen muss das Interesse an den sogenannten MINT-Berufen geweckt werden. Dann entscheiden sich auch nicht mehr alle nur für drei Lehrberufe.“ Laut Lehrlingsstatistik der Wirtschaftskammer sind die Top-3-Lehrberufe von jungen Frauen seit Jahren: Einzelhandelskauffrau, Bürokauffrau und Friseurin. 43,3 Prozent entscheiden sich für diese Berufe. Mehr als ein Drittel der jungen Männer hingegen wählt eine Ausbildung zum Metall-, Elektro- oder Kfz-Techniker.

Hinzu kommt, dass der Einzelhandel mit rund 15.000 Lehrstellen der größte Lehrstellenanbieter in Österreich ist. Zum Vergleich: Insgesamt gibt es rund 100.000 Lehrstellen in Österreich und mehr als 200 verschiedene Lehrberufe.

Anzahl der Lehrlinge und Lehrbetriebe waren viele Jahre lang rückläufig

Seit 1980 hat sich die Anzahl der Lehrlinge beinahe halbiert. Im Jahr 2018 gab es österreichweit nur mehr 107.915 Lehrlinge – 1980 noch 194.089 Lehrlinge. In den letzten zehn Jahren sind auch 10.000 Ausbildungsbetriebe verloren gegangen. Überhaupt bilden nur mehr 20 Prozent der Betriebe, die das könnten, Lehrlinge aus. Seit 2018 steigt die Anzahl der Lehrstellen zwar wieder, darauf darf sich die Wirtschaft aber nicht ausruhen.

40 Prozent der 15-Jährigen beginnen Lehre

Aus Sicht der Wirtschaft liegt der Rückgang am Arbeitskräfteangebot an der demografischen Entwicklung. Rechnerisch gesehen gibt es tatsächlich weniger 15j-Jährige als noch vor 20 Jahren. Der Prozentanteil derer, die sich für eine Lehrlingsausbildung entscheiden, ist jedoch mit rund 40 Prozent gleichgeblieben. In Oberösterreich hat sich 2018 sogar fast die Hälfte für eine Lehrlingsausbildung entschieden. Weil FacharbeiterInnen am Arbeitsmarkt oftmals nicht mehr zu finden sind, investieren viele Betriebe wieder vermehrt in die eigene Ausbildung. „Leider ein bisschen zu spät“, sagt Susanne Hofer. „Hätte man kontinuierlich in die Ausbildung junger Menschen investiert, sie nicht als dumm und arbeitsunwillig abgestempelt, wären viele Unternehmen jetzt gar nicht in dieser Lage.“