Diese Anforderungen müssen Arbeitslose jetzt schon erfüllen
Schärfere Zumutbarkeitsbestimmungen bringen niemanden in Beschäftigung, vergrößern aber den Niedriglohnsektor und erhöhen Erwerbsarmut
In Österreich sind im Schnitt mehr als 900.000 Menschen mindestens einmal im Jahr arbeitslos; das ist rund ein Viertel aller unselbstständig Beschäftigten. Dies führt uns vor Augen, dass es jeden und jede treffen kann – und in einer Krise umso mehr Menschen unverschuldet. Oberste Priorität in der Arbeitsmarktpolitik muss die Schaffung neuer Jobs und eine passende Betreuung arbeitssuchender Menschen haben. Die Zumutbarkeitsbestimmungen zu verschärfen oder das Arbeitslosengeld zu kürzen, wie von Regierungs- und Wirtschaftsseite immer wieder gefordert, trägt nicht dazu bei, dass Menschen schneller in Beschäftigung kommen.
Zur Erklärung: Die Arbeitslosenversicherung ist eine Versicherung, wie auch die Pensionsversicherung oder die Haftpflichtversicherung. Wer arbeitslos wird und davor Beiträge einbezahlt hat, erhält Arbeitslosengeld. Dafür müssen sich Arbeitslose auch arbeitsbereit erklären und bestimmte Anforderungen werden ihnen zugemutet. Wird ein Job-Angebot abgelehnt, obwohl die Zumutbarkeitsbestimmungen eingehalten werden, verhängt das AMS Sanktionen und das Arbeitslosengeld kann gesperrt werden.
Mehr Druck auf Arbeitslose ist kontraproduktiv
Schon jetzt sind diese „Zumutbarkeitsbestimmungen“ Strafbestimmungen für Arbeitslose. Diese zu verschärfen, davon hält ÖGB-Arbeitsmarktexperte Alexander Prischl gar nichts. „Eine Verschärfung führt zu keinem arbeitsmarktpolitischen Effekt, sondern zu einer Stigmatisierung der Betroffenen. Dazu kommt, dass erhöhter Druck dazu führt, dass Arbeitsuchende schlechtere Stellen annehmen, es somit zu einem Lohndruck und in weiterer Folge zu einem noch größeren Niedriglohnsektor und damit höherer Erwerbsarmut kommt. Zusätzlich treten Qualifizierungen in den Hintergrund.“
Auch Wirtschaftsexpert:innen warnen immer wieder davor, zu große Effekte von einem sinkenden Arbeitslosengeld zu erwarten. Denn der finanzielle Druck würde wenig bringen, wenn Jobs oder die Qualifikation fehlen. Laut Studien bringe eine intensivere Betreuung von Arbeitslosen sowohl einer Erhöhung der Beschäftigungsaufnahme als auch die Einhaltung der Zumutbarkeitsbestimmungen. Mehr Beratungen und Weiterbildung durch das AMS oder Sozialprojekte würden daher sinnvoller sein.
Was jetzt schon zumutbar ist
Zu den sogenannten Zumutbarkeitsbestimmungen, zählt, dass man schon jetzt den Berufsschutz nach 100 Tagen Arbeitslosigkeit verliert – das sind etwa drei Monate Erwerbssuche. Danach können alle, von der Akademikerin bis zum Tellerwäscher, überall hin vermittelt werden. Dieser Weg darf auch in prekäre Jobs oder befristete Beschäftigung führen.
Und bereits jetzt sind zwei Stunden Wegzeit bei einem Vollzeitjob zumutbar: bei einem „normalen“ Vollzeitjob sind Arbeitnehmer:innen also schon jetzt zehn Stunden am Tag unterwegs. Würden etwa die Wegzeiten ausgeweitet, werden 11- oder 12-Stunden-Tage zur Regel, Überstunden noch gar nicht mitgerechnet.
Die wenigsten verweigern Jobs
Viele Arbeitsmarktexpert:innen, inklusive Johannes Kopf, Vorstand im AMS, argumentieren immer wieder, dass die Arbeitslosigkeit nicht durch etwaige Verschärfungen zurückgeht. Auch die nackten Zahlen geben für mehr Härte jedenfalls keinen Anlass, denn die Statistik zeigt: Mehr als drei Viertel der AMS-Sanktionen betreffen nicht die Verweigerung von Jobs, sondern zum Beispiel versäumte Kontroll- oder Schulungstermine.
Arbeitslosen mit Sanktionen zu drohen ist kontraproduktiv und schafft keinen einzigen neuen Job. Bessere Arbeitsbedingungen und die Schaffung von mehr Jobs, werden erfolgreicher sein als Druck und Zwang.