Hinter den Kulissen
Die gut geölte Maschine hinter den Warnstreiks
Die Streikbüros der Gewerkschaften organisieren, unterstützen und sorgen für einen reibungslosen Ablauf - wir werfen einen Blick hinter die Kulissen
Im Kampf um höhere Löhne und Gehälter ziehen die Beschäftigten in der Metallbranche ab 6. November andere Saiten auf: Österreichweit laufen drei Tage Warnstreiks. Um die Arbeitsniederlegungen bestmöglich zu organisieren bzw. koordinieren, haben die Gewerkschaften Streikbüros eingerichtet. Wir werfen einen Blick hinter die Kulissen des Streikbüros der Produktionsgewerkschaft PRO-GE.
Zentrale Koordinationsstelle
Das Streikbüro der PRO-GE befindet sich im 3. Stock der ÖGB-Zentrale in Wien, im Saal 3002. Selbst für Besucher:innen ist das Büro unübersehbar, über der Tür hängt ein großer Aufkleber „Zentrale Streikleitung”. Konkret bedeutet das: Rund um die Uhr, in drei Schichten, sind hier Gewerkschafter:innen im Einsatz, um die Aktionen in den Metallbetrieben zu planen und zu unterstützen. „Neben dem Streikbüro gibt es zudem eine Streikleitung auf Landes- und Betriebsebene, die sich vor Ort um alles kümmert. Falls es in Betrieben zu Schwierigkeiten kommt und sie diese nicht lösen können, sind wir zur Stelle und helfen“, erklärt Stefan Guggenberger, PRO-GE-Bundesgeschäftsführer für den Bereich Organisation und aktuell auch Leiter des Streikbüros. Er betont zudem, dass das Streikbüro als Backup fungiert und alle organisatorischen Aufgaben im Zusammenhang mit Betriebsversammlungen und Warnstreiks übernimmt.
Beschäftigte finden es wichtig, dass wir Geschlossenheit und Stärke in den Betrieben zeigen. Sie sind überzeugt, dass es aktuell nur so zu einer anständigen Lohnerhöhung kommt.
Streiken erlaubt, auch für Leiharbeiter:innen
Neben der Unterstützung der Betriebsrätinnen, Betriebsräte und Bezirkssekretär:innen vor Ort beantwortet das Streikbüro aber auch alle Fragen, die Arbeitnehmer:innen beschäftigen. Besonders auffällig ist, dass das Streikbüro seit Beginn der Warnstreiks vor allem aber Anrufe und E-Mails von Streik-Befürworter:innen bekommt. „Sie finden es wichtig, dass wir auf die Straße gehen und Geschlossenheit und Stärke in den Betrieben zeigen. Sie sind überzeugt, dass es aktuell nur so zu einer anständigen Lohnerhöhung kommt“, erzählt Bianca Reiter aus der Kollektivvertragsabteilung der PRO-GE und fügt hinzu, dass auch aus der Bevölkerung viel positives Feedback kommt: „Außer von einer Person, die im Stau stand, sind die Rückmeldung durchwegs positiv und unterstützend.” Vereinzelt wird auch nachgefragt, wie die Streikunterstützung funktioniert, und Leiharbeiter:innen wissen oft nicht, ob sie mitmachen dürfen. Die Antwort ist ganz einfach, betont Guggenberger: „Ja, auch Leiharbeiter:innen können teilnehmen und bekommen eine Streikunterstützung, wenn sie Gewerkschaftsmitglied sind.“
Belegschaften geschlossen hinter Gewerkschaft
Die große Zustimmung der Arbeitnehmer:innen überrascht Guggenberger nicht. „Die Beteiligung bei den ersten Betriebsversammlungen war schon sehr hoch – im Vergleich zum Vorjahr deutlich höher. Insgesamt nahmen 90.000 Personen in den vergangenen Wochen an Betriebsversammlungen der Metallbranche teil”, hebt er die Geschlossenheit in der Metallindustrie hervor. Die Erwartungshaltung der Arbeitnehmer:innen sei sehr groß, vor allem, weil sie über das aktuelle Angebot der Arbeitgeber extrem verärgert sind. „Nur 2,5 Prozent zu bieten, ist eine Frechheit – haben wir nicht nur einmal gehört“, erzählt Lilla Hajdu, Rechtsexpertin der PRO-GE.
Verärgert scheinen auch die Arbeitgeber zu sein. Im Gegenteil zu den Beschäftigten können sie den Warnstreiks wenig abgewinnen. Die Streikleitungen – vor Ort, aber auch in Wien - sind immer wieder damit beschäftigt, Betriebsrätinnen und Betriebsräte zu beraten, da manche Arbeitgeber versuchen, Druck auf Betriebsräte auszuüben, kürzere Streiks fordern oder mit ihnen über die Vodoomathematik des vorliegenden Angebots diskutieren. „Das sind kleine Blitzlichter, die immer wieder auftauchen. Spielchen im Hintergrund, aber auf das sind wir gut vorbereitet“, betont Guggenberger.
Vieles noch offen
Insgesamt zeigt die gut organisierte Streikleitung, dass Arbeitskämpfe nicht leichtfertig, sondern äußerst professionell und mit großer Unterstützung der Arbeiternehmer:innen durchgeführt werden. Die enge Zusammenarbeit von Betriebsräten, den Bezirkssekretär:innen der Gewerkschaft und der Streikleitung gewährleistet einen reibungslosen Ablauf der Warnstreiks und ermöglicht damit, den kollektiven Widerstand der Arbeitnehmer:innen bestmöglich sichtbar zu machen. „Zum Streik oder Warnstreik wird nicht einfach von heute auf morgen aufgerufen. Der Streikprozess beginnt mit einer Betriebsversammlung, bei der das Streikkomitee beschlossen wird. Die Streikbeschlüsse werden sorgfältig getroffen“, erklärt der Leiter des Streikbüros.
Die Streikleitungen sind vorerst bis 8. November besetzt. Die nächste, und somit fünfte, Verhandlungsrunde der Metaller findet am 9. November statt. Ob das Streikbüro danach wieder besetzt sein wird, hängt davon ab, ob sich die Arbeitgebervertreter nun endlich bewegen und ein akzeptables Angebot auf den Tisch legen.