Gut zu wissen
Kollektivvertrag erklärt: alle Begriffe von A bis Z
Von A wie Arbeitnehmer:innen bis Z wie Zulagen: Das musst du über deinen Kollektivvertrag und die dazugehörigen Verhandlungen wissen
Darauf können wir wirklich stolz sein: Österreich ist Kollektivvertrags-Weltmeister.
98 Prozent(!) aller Arbeitnehmer:innen haben einen und damit auch ein einzigartiges Sicherheitsnetz. Kollektivverträge sichern faire Arbeitsbedingungen und Lohn- und Gehaltserhöhungen.
Zudem verhelfen Kollektivverträge Arbeitnehmer:innen zu vielen Rechten und Ansprüchen, die nicht in Gesetzen geregelt sind. Aber: Ein Kollektivvertrag fällt nicht vom Himmel. Er wird von der Gewerkschaft hart verhandelt.
Rund um den Kollektivvertrag und die Verhandlungen schwirren viele Begriffe herum – wir klären auf!
A wie Arbeitnehmer:innen: Sie verhandeln mit Arbeitgebern (bzw. die jeweiligen Vertreter:innen). Die Verhandlungen finden in der Regel jährlich statt. Auf Zurufe der Politik können beide Seiten gut verzichten.
B wie Branchen: Kollektivverträge werden grundsätzlich für eine ganze Branche und nicht für einzelne Unternehmen abgeschlossen.
C wie Chefverhandler:in: Im Vorfeld der Kollektivvertrags-Verhandlungen besprechen die jeweiligen Branchenvertreter:innen der Gewerkschaften gemeinsam die Forderungen und Vorgehensweise.
In die Verhandlung selbst können nicht alle gehen. Deshalb gibt es meist große und kleine Verhandlungsteams.
Das kleine Team wiederum wird in der Regel von einem oder einer Chefverhandler:in angeführt, die bzw. der die Hauptverantwortung bei der Verhandlung übernimmt.
Chefverhandler:innen sind meist Vorsitzende der Gewerkschaften oder Betriebsratsvorsitzende der jeweiligen Branchen.
D wie Dauer der Verhandlungen: Sie ist abhängig vom Verhandlungsthema, der Zusammensetzung der Verhandlungsteams, den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in der Branche und den Forderungen, die auf dem Tisch liegen.
Von einer Sitzung bis zu mehreren Monaten ist alles möglich.
E wie Ergebnis: Der Kollektivvertrag hat dann Gültigkeit, wenn beide Verhandlungspartner (VertreterInnen der Arbeitgeber und der Beschäftigten) ihre Zustimmung gegeben haben.
F wie Freizeitoption: Einige Kollektivverträge sehen vor, dass durch eine Betriebsvereinbarung einzelne Arbeitnehmer:innen die Möglichkeit haben, statt einer Lohn- bzw. Gehaltserhöhung zusätzliche Freizeit zu vereinbaren.
G wie Geltungsdauer: Die meisten Kollektivverträge sind für ein Jahr gültig, dann müssen sie neu verhandelt werden.
Jährliche Verhandlungen bieten den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern unter anderem auch die Möglichkeit, in jedem Jahr Druckmittel wie Streiks oder Arbeitsniederlegungen zu nutzen, um ihre Forderungen durchzusetzen.
H wie Herbstlohnrunde: Die Herbstlohnrunde umfasst alle Kollektivverträge, die im Herbst verhandelt werden – beginnend mit dem Kollektivvertrag der Metaller, der als richtungsweisend für andere Branchen gilt. In der gesamten Metall-Branche arbeiten rund 190.000 Menschen.
I wie Inflationsrate: Die Abgeltung der Inflationsrate (auch: Teuerungsrate) ist für die Beschäftigten extrem wichtig. Um das sicherzustellen, ist die Verhandlungsgrundlage vor KV-Runden die durchschnittliche Inflation der letzten zwölf Monate – man spricht von der sogenannten „rollierenden Inflation”.
J wie Jubiläumsgeld: Wer lange in einem Unternehmen arbeitet, bekommt von vielen Arbeitgebern eine Extra-Zahlung. Rechtlichen Anspruch darauf gibt es nicht. Falls doch, wird das Jubiläumsgeld im jeweiligen Kollektivvertrag (oder in einer Betriebsvereinbarung) festgelegt.
So erhält etwa ein im Handel Beschäftigter für seine Treue laut Kollektivvertrag nach 20 Jahren Firmenzugehörigkeit eine Zahlung in der Höhe eines Monatsgehaltes.
K wie Kaufkraft: In Zeiten der Rekordteuerung haben die Gewerkschaften mit den guten Kollektivvertragsabschlüssen wesentlich für die Sicherung der Kaufkraft gesorgt und so manchen das finanzielle Überleben ermöglicht.
L wie Lohn: Sowohl Lohn als auch Gehalt sind Begriffe für das monatliche (oder wöchentliche) Einkommen, das Menschen zusteht, die einer Arbeit nachgehen.
Lohn bekommen Personen, die laut Gesetz als Arbeiter:innen beschäftigt sind, bei Angestellten spricht man von Gehalt.
M wie Mindestlohn: In Österreich werden branchenspezifische Mindestlöhne über Kollektivverträge festgelegt.
Immer wieder gibt es Rufe nach gesetzlichen Mindestlöhnen (wie es ihn etwa Deutschland gibt). Das lehnt der ÖGB jedoch klar ab, da Arbeitnehmer:innen damit den Launen der jeweiligen Regierung ausgesetzt wären. Lohnpolitik ist Gewerkschaftssache und wird es auch bleiben.
N wie Normalarbeitszeit: Das Gesetz geht von einer Normalarbeitszeit von acht Stunden pro Tag bzw. 40 Stunden pro Woche aus. Viele Kollektivverträge sehen jedoch bereits eine verkürzte Normalarbeitszeit vor (z. B. 38,5 Wochenstunden).
Die letzte gesetzliche Arbeitszeitverkürzung ist fast 50 Jahre her. Die Zeit ist also überreif für kürzere Wochenarbeitszeiten und mehr Urlaub für alle.
O wie Objektivität: Sie ist bei den Verhandlungen u. a. die Branchenanalysen der Arbeiterkammer garantiert, auf die sich die Gewerkschaften bei den KV-Verhandlungen stützen.
P wie Partizipation: Partizipation – also Mitbestimmung – der Arbeitnehmer:innen ist den Gewerkschaften besonders wichtig, darum sitzen auch Betriebsratsmitglieder aus betroffenen Betrieben bei KV-Verhandlungen am Tisch und entscheiden mit, ob ein Abschluss grünes Licht bekommt oder ob gewerkschaftliche Kampfmaßnahmen beschlossen werden.
Stocken die Verhandlungen werden häufig über Betriebsräte-Konferenzen und Betriebsversammlungen weitere Schritte besprochen und festgelegt.
Q wie Quantität: Die hohe Dichte an Kollektivverträgen in Österreich kann sich sehen lassen: 98 Prozent aller ArbeitnehmerInnen in Österreich sind durch Kollektivverträge abgesichert – damit sind wir Weltmeister!
In Österreich gibt es über 800 Kollektivverträge. Jährlich verhandeln die Gewerkschaften über 450 Kollektivverträge.
R wie Rahmenrecht: Bei Kollektivvertragsverhandlungen werden abseits von Lohn- bzw. Gehaltserhöhungen oft auch rahmenrechtliche Regelungen verhandelt. Darunter versteht man zum Beispiel Überstundenentgelte, Arbeitszeitverkürzung, zusätzliche freie Tage, etc.
Es geht also um Verbesserungen für Beschäftigte abseits der Lohnpolitik.
S wie Streik: Streik ist ein mächtiges Mittel im Arbeitskampf von Gewerkschaften und kommt dann zum Einsatz, wenn alle anderen Schlichtungsversuche gescheitert sind. Dabei wird planmäßig, kollektiv und durch Gewerkschaften organisiert die Arbeit niedergelegt, um einen bestimmten Zweck zu erreichen. Meist passiert das im Rahmen der Kollektivvertragsverhandlungen, um höhere Löhne und Gehälter durchzusetzen.
Das Recht auf Streik ist außerdem verfassungsrechtlich geschützt. Eine Entlassung wegen der Teilnahme an einem Streik ist rechtswidrig.
T wie Tarifvertrag: So hat man Kollektivverträge in Österreich bis zum Anfang des 20. Jahrhundert genannt. Dann hat sich das Wort „Kollektivvertrag“ durchgesetzt. Die Bezeichnung „Tarifvertrag“ wird heute hauptsächlich in Deutschland verwendet.
U wie Urlaubsgeld: Das Urlaubsgeld ist – anders als viele glauben – durch kein Gesetz vorgeschrieben, sondern im Kollektivvertrag verankert. Die Gewerkschaften müssen dieses zusätzliche Monatsentgelt jedes Jahr aufs Neue verhandeln und verteidigen.
V wie Verwendungsgruppen: In jedem KV gibt es verschiedene Verwendungsgruppen – darin sind Tätigkeiten und Merkmale beschrieben, die die Zugehörigkeit zu der jeweiligen Gruppe beschreiben.
Jede dieser Verwendungsgruppen hat einen bestimmten Mindestlohn bzw.
Ein bestimmtes Mindestgehalt. Eine Bezahlung eines/einer Dienstnehmers/Dienstnehmerin unter dem kollektivvertraglichen Mindestgehalt ist nicht zulässig.
W wie Weihnachtsgeld: Wie das Urlaubsgeld ist auch das Weihnachtsgeld nicht im Gesetz verankert, sondern im Kollektivvertrag. Damit muss auch diese Sonderzahlung jedes Jahr aufs Neue von den Gewerkschaften verhandelt und verteidigt werden.
X: Ein X lassen sich Arbeitnehmer:innen sicher nicht für ein U vormachen – erst recht nicht bei den jährlichen Kollektivvertragsverhandlungen, wenn von den Arbeitgebern plötzlich die Höhe der Inflation infrage gestellt wird oder die Gewinne und Produktivität der Unternehmen klein geredet werden. Die Benya-Formel (Lohn- bzw. Gehaltserhöhung = Abgeltung der Inflation + Anteil am Produktivitätszuwachs) wird auch zukünftig die Basis der jährlichen Kollektivvertragsverhandlungen sein.
Y wie Yoga: Yoga-Übungen haben zwar per se nichts mit Gewerkschaften zu tun, als Vorbereitung für lange Sitzungsmarathons wären sie aber für den einen oder die andere sicher nicht schlecht.
Z wie Zuschläge und Zulagen: Neben den Lohn- und Gehaltstabellen enthalten Kollektivverträge auch Regelungen über Zuschläge und Zulagen.
Das Arbeitszeitgesetz sieht z. B. für Überstunden generell nur einen 50%-Zuschlag vor; die meisten Kollektivverträge sehen hingegen einen 100%-Zuschlag für Überstunden am Abend, in der Nacht, am Wochenende oder an Feiertagen vor. Weiters gibt es vor allem bei Arbeiter:innen-Kollektivverträgen Zuschlagsregelungen für verschiedene Tätigkeiten unter erschwerten Bedingungen (z. B. Schmutzzulage) oder für Arbeiten in der Nacht.
1. Die wöchentliche und tägliche Normalarbeitszeit
2. Überstunden und deren Abgeltung sowie Zulagen für Wochenend- oder Feiertagsdienste
3. Einstufung und Vorrückungen im Gehaltsschema, Mindestentlohnung
4. Urlaubs- und Weihnachtsgeld
5. Aufwandsentschädigungen, Zulagen, Prämien
Das könnte dich auch interessieren: